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Fall Kurnaz: Neue Vorwürfe gegen Steinmeier

Während das Auswärtige Amt versucht hat, den Bremer Guantanamo-Häftling Murat Kurnaz freizubekommen, sollen das Kanzleramt und der damalige Chef Steinmeier diese Bemühungen bewusst hintertrieben haben.

Hamburg - Das Auswärtige Amt und der frühere Außenminister Joschka Fischer (Grüne) waren nach Informationen des "Stern" nicht über die Verhöre des ehemaligen Guantanamo-Häftlings Murat Kurnaz durch deutsche Geheimdienste informiert. Auch als Fischer im November 2003 bei einem Treffen mit seinem US-Amtskollegen Colin Powell den Fall Kurnaz ansprach, habe er davon nichts gewusst, berichtete das Magazin unter Berufung auf interne Dokumente. Stattdessen hätten das vom heutigen Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) geleitete Kanzleramt sowie das Innenministerium die Zuständigkeit für sich beansprucht.

Kanzleramtsminister Thomas de Maizière (CDU) nahm Steinmeier unterdessen in Schutz. "Ich will nur so viel sagen: Es ist sehr leicht, anhand von Zeugenaussagen und Akten vier oder fünf Jahre nach einem Vorgang zu urteilen. Es ist ungleich schwieriger, in einer bestimmten, auch psychologisch hochkomplexen Situation Entscheidungen zu treffen", sagte er der "Zeit". Die FDP will für Anfang Februar zwei Sondersitzungen des BND-Untersuchungsausschusses durchsetzen, um Steinmeier und Fischer zu den unterschiedlichen Aspekten zu befragen. In den Koalitionsparteien deutete sich allerdings an, dass es für dieses Vorhaben wahrscheinlich nicht die erforderliche Mehrheit geben wird.

"Die verdammte Verpflichtung, aufzupassen"

Steinmeier war wegen seiner Rolle im Zusammenhang mit der Kurnaz-Inhaftierung in die Kritik geraten. Ihm wird vorgehalten, auf ein angebliches Angebot aus den USA zur Freilassung des Bremer Türken nicht eingegangen zu sein. Ein solches frühes amerikanisches Angebot habe es nie gegeben, sagte Steinmeier in der "Zeit". Dies werde aus Vermerken nur "zusammengedichtet". Steinmeier bestätigte einen Vorschlag der Amerikaner aus dem Herbst 2002, Kurnaz als V-Mann in die islamistische Szene in Deutschland einzuschleusen. Diese Idee habe er aber auf Anraten der zuständigen Sicherheitsexperten des Kanzleramts und im Bundesnachrichtendienst (BND), Ernst Uhrlau und August Hanning, abgelehnt.

Der SPD-Politiker erinnerte an die Verantwortung der damaligen rot-grünen Regierung angesichts einer Kette von Terroranschlägen weltweit. Deutschland habe damals als das bevorzugte Land der terrorbereiten "Schläfer" gegolten, die USA seien dementsprechend misstrauisch gewesen. "Obendrein hatten wir die verdammte Verpflichtung, aufzupassen, dass keine weiteren Attentate stattfinden", ergänzte Steinmeier. Zur Frage einer Entschuldigung bei Kurnaz macht Steinmeier deutlich, dass es die nicht geben werde unter dem Gesichtspunkt, dass er als Kanzleramtsminister falsch und unmoralisch gehandelt oder menschliche Prinzipien im Kampf gegen den Terror geopfert habe. Das sehe er einfach nicht so.

De Maizière kritisiert Umgang mit dem Thema

De Maizière machte in der "Zeit" deutlich, dass es im Fall Kurnaz eine grundsätzlich andere Herangehensweise der Regierung Merkel im Vergleich zu der Vorgänger-Regierung gegeben habe: "Aber dieses 'Ja' ist nur vollständig mit dem Gedanken, den ich vorher gesagt habe: Nicht jedes andere Verhalten der Regierung führt dazu, dass man ein anderes Verhalten der Vorgängerregierung als besonders kritikwürdig ansieht. Man kann es kritisieren. Aber ob man es skandalisiert, ist ein großer Unterschied." (tso/ddp)

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