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Fall Kurnaz: Pentagon soll über Freilassung nachgedacht haben

Im Fall Murat Kurnaz sind neue Details bekannt geworden, allerdings mit unterschiedlichen Aussagen über das Handeln von Bundesaußenminister Frank Walter Steinmeier.

Berlin - Die "Süddeutsche Zeitung" berichtete unter Berufung auf eine bisher unveröffentlichte Zeugenaussage, das US-Verteidigungsministerium sei 2002 in Überlegungen zu einer Freilassung von Kurnaz aus Guantanamo eingebunden gewesen. Im Tagesspiegel hieß es dagegen, keiner von drei Zeugen habe im Untersuchungsausschuss die These vertreten, dass es ein US-Angebot zur Zukunft des Bremer Türken gab. Die "Frankfurter Rundschau" berichtete, der Bremer Verfassungsschutz habe Kurnaz belastet.

Steinmeiers Sprecher Martin Jäger sagte vor Journalisten in Berlin, er könne die Zeitungsberichte nicht kommentieren, da die Protokolle des Untersuchungsausschusses bisher geheim seien. Nach seinem allgemeinen Eindruck würden Dinge hier aber "aus dem Zusammenhang gerissen und neu zusammengefügt", und dies auf eine Art und Weise, die er nicht nachvollziehen könne. Jäger verwies auch darauf, dass der Ausschuss plant, die Protokolle seiner Sitzung vom 1. Februar zumindest teilweise zu veröffentlichen.

Kurnaz hätte im November 2002 freikommen sollen

Laut "SZ" sagte dort ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND) aus, sein Gesprächspartner vom US-Geheimdienst CIA habe ihm Ende September 2002 in Guantanamo mitgeteilt, die Deutschen könnten damit rechnen, dass Kurnaz bereits im November 2002 freikomme. Auf die Frage im Ausschuss, wer dies behauptet habe, sagte der BND-Mann demnach: "Ich habe den amerikanischen Kollegen gefragt, ob das die Einstellung der CIA sei. Er hat mir geantwortet: Nein, dies sei eine Information, die direkt aus dem Pentagon stamme, da die CIA überhaupt keine Möglichkeit habe zu befinden, ob eventuell einer freikommt oder nicht."

Der BND-Beamte leitete damals die dreiköpfige deutsche Delegation, die Kurnaz in dem US-Gefangenenlager auf Kuba besucht und zwei Tage lang befragt hatte. Auch dabei waren ein weiterer Vertreter des BND und ein Beamter des Bundesamtes für Verfassungsschutz. Der Verfassungsschützer äußerte sich der "Süddeutschen" zufolge im Ausschuss zurückhaltender zur Rolle des Pentagon. Laut Tagesspiegel verneinte er sogar entschieden die Frage, ob es ein Angebot zur Freilassung von Kurnaz gegeben habe. "Nein, das entsprach nicht dem Charakter unserer Reise, zu keinem Zeitpunkt", sagte der Zeuge demnach. "Wir haben mit niemandem gesprochen, der uns ein solches Angebot hätte machen können." Auch der BND-Delegationsleiter habe unterstrichen, "dass es sich hier nicht um ein Angebot handeln konnte".

Kurnaz weise "Radikalisierungsbiografie" auf

Der "Stern" zitierte hingegen in seiner Online-Ausgabe beide BND-Mitarbeiter mit der Aussage, US-Stellen hätten bei dem Besuch in Guantanamo ein konkretes Angebot unterbreitet, Kurnaz ausreisen zu lassen. Zu diesem Angebot seien die US-Stellen vom US-Verteidigungsministerium befugt gewesen. Nach bisheriger Darstellung der Bundesregierung wurde eine Freilassung von Kurnaz seinerzeit nicht von der US-Regierung in Aussicht gestellt, sondern lediglich von Geheimdienst-Agenten, die dies gar nicht hätten entscheiden können.

Laut "Frankfurter Rundschau" sprach Kurnaz nach Angaben des Bremer Verfassungsschutzes im Oktober 2001 in Telefonaten mit dem Vorbeter seiner Moschee von einem unmittelbar bevorstehenden Einsatz in Afghanistan unter Führung der fundamentalistischen Taliban. Von diesen Telefonaten hätten die BND-Beamten vor ihrer Reise nach Guantanamo nichts gewusst. Laut Tagesspiegel sagte der BND-Delegationsleiter im U-Ausschuss: "Kurnaz wies die charakteristischen Merkmale einer Radikalisierungsbiografie auf." (tso/AFP)

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