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Fall Litwinenko: Auf der Jagd nach dem Plutonium-Mörder

Ein halbes Jahr nach dem mysteriösen Tod des russischen Ex-Agenten Alexander Litwinenko hat die britische Staatsanwaltschaft Anklage gegen einen Hauptverdächtigen angekündigt: den Ex-KGB-Offizier Andrej Lugowoj.

London/Moskau - Es gebe "genügend Hinweise" auf einen Giftmord, teilte die Behörde in London mit. Die Staatsanwaltschaft stellte Haftbefehl aus. Premierminister Tony Blair forderte Russland auf, die "Regeln des Gesetzes" zu respektieren und den verdächtigten Lugowoi auszuliefern. Die russischen Behörden lehnten dies umgehend ab.

Der mutmaßliche Täter hatte wie das Opfer Litwinenko früher für den russischen Geheimdienst gearbeitet. In Moskau wurde der Haftbefehl gegen Lugowoi als indirekter Vorwurf gewertet, der Machtapparat um Präsident Wladimir Putin sei in Fall verwickelt.

Der britische Premierminister Blair sagte laut BBC, Lugowoi solle ausgeliefert werden. Die britische Außenministerin Margaret Beckett teilte dem russischen Botschafter mit, sie erwarte "volle Kooperation", um Lugowoi nach London zu bringen. Lugowoi hatte bei Vernehmungen durch britische Ermittler in Moskau seine Unschuld beteuert.

Litwinenko mit Polonium vergiftet

Litwinenko war im vergangenen November in einem Londoner Krankenhaus gestorben, nachdem er mit der radioaktiven Substanz Polonium 210 vergiftet worden war. In einer nach seinem Tod veröffentlichten Erklärung hatte Litwinenko Putin für den Giftanschlag verantwortlich gemacht. Von russischer Seite war die Echtheit des Dokuments in Zweifel gezogen worden. Britische Ermittler hatten den ebenfalls an Polonium-Spuren erkrankten Lugowoi im Dezember in Moskau vernommen.

Der Direktor der britischen Staatsanwaltschaft, Sir Ken Macdonald, sagte, das Verbrechen sei "außerordentlich" gewesen. Der britische Generalstaatsanwalt unterstützte als oberste Instanz der Behörde die Entscheidung.

Der außenpolitische Sprecher der Staatsduma, Konstantin Kossatschow, warnte vor einer Verschlechterung der Beziehungen zwischen London und Moskau. "Sollten wir zu der Überzeugung kommen, dass die Schlussfolgerungen der Briten politisch und nicht juristisch sind, so hätte das äußerst negative Auswirkungen auf unsere Beziehungen", sagte Kossatschow nach Angaben der Agentur Interfax. In einer Umfrage des Moskauer Radiosenders "Echo Moskwy" sahen einige Politiker und Politologen in dem Haftbefehl gegen Lugowoi auch eine Schuldzuweisung an die russische Führung.

Vorwürfe gegen Putin

"Von Anfang an hatte ich keinen Zweifel daran, dass Putin dahinter steckt", sagte der in den Westen geflohene Oligarch und Kremlkritiker Boris Beresowski in einem Telefoninterview. Im Zuge der Litwinenko-Affäre hatte Moskau erneut die Auslieferung Beresowskis gefordert, der in Großbritannien politisches Asyl genießt.

Die russische Verfassung verbietet es Russland, seine Bürger an andere Staaten auszuliefern. Der Anwalt Lugowois lehnte in Moskau zunächst jeden Kommentar ab, da er von der britischen Staatsanwaltschaft noch nicht benachrichtigt worden sei.

Litwinenko hatte Lugowoi zusammen mit einem weiteren Ex-Agenten, Dmitri Kowtun, in einem Londoner Hotel an dem Tag getroffen, an dem er vergiftet wurde. Der 43-jährige Litwinenko war ein entschiedener Kritiker der Putin-Regierung. Der Fall Litwinenko hatte zu starken Spannungen im Verhältnis zwischen Russland und London geführt.

Ermittlungsverfahren in Hamburg

Lugowoi war zuletzt Inhaber einer Sicherheitsfirma und eines Getränkehandels. Er soll vor Beresowskis Flucht in den Westen als Sicherheitsfachmann für dessen TV-Sender ORT gearbeitet haben.

In Hamburg läuft noch ein Ermittlungsverfahren gegen den anderen Kontaktmann Litwinenkos, Dmitri Kowtun, wegen unerlaubten Umgangs mit radioaktiven Stoffen. Der Russe Kowtun hatte zuletzt Anfang April angeboten, nach Hamburg zu kommen und auszusagen, wenn er freies Geleit zugesichert bekomme. Das hatte die Staatsanwaltschaft abgelehnt. Spuren von Polonium waren seinerzeit in der Wohnung von Kowtuns Ex-Frau in Hamburg und im Haus von Kowtuns ehemaliger Schwiegermutter in Schleswig-Holstein entdeckt worden. (tso/dpa/AFP)

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