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Fall Litwinenko: Ex-KGB-Mann im Visier von Scotland Yard

Nach dem mysteriösen Tod des russischen Ex-Agenten und Kreml-Kritikers Alexander Litwinenko in London gerät zunehmend ein Mann ins Visier von Scotland Yard.

Moskau - Es handelt sich um den früheren KGB-Offizier Andrej Lugowoj - ein typischer Wendehals, der nach dem Ende der Sowjetunion Karriere im Umfeld des umstrittenen Oligarchen Boris Beresowski machte und mittlerweile selbst erfolgreicher Unternehmer ist. Der athletische ehemalige Leibwächter der russischen Staatsspitze ist einer der letzten Menschen, die Litwinenko vor seiner schleichender Vergiftung durch die radioaktive Substanz Polonium 210 in einem Londoner Hotel traf.

Die Polizei fand Spuren von Polonium 210 in Lugowojs Privatflugzeug und in seinem Londoner Hotelzimmer. Lugowoj bestreitet, etwas mit Litwinenkos Tod zu tun zu haben und erklärt, jemand habe versucht, ihn hereinzulegen. Zugleich erklärte er seine Bereitschaft zur Zusammenarbeit mit Scotland Yard. "Wenn sie mir eine Liste mit Leuten vorlegen, die sie treffen wollen, und es fehlen Namen auf der Liste, die meiner Meinung nach interessant für sie sein könnten, werde ich sie ihnen nennen", sagte er dem russischen Fernsehsender Ntw. Laut einem Bericht des US-Fernsehsenders ABC sehen die britischen Ermittler den von ihnen als Schlüsselzeugen bezeichneten Lugowoj insgeheim als Hauptverdächtigen im Mordfall Litwinenko an.

Sohn eines sowjetischen Militärs

Der Mittvierziger Lugowoj, ein hochgewachsener blonder Mann, der nach eigenen Angaben "im Restaurant niemals mit dem Rücken zum Eingang" sitzt, ist der Sohn eines sowjetischen Militärs. Ab 1987 besuchte er die Militärakademie des Obersten Sowjets, später kommandierte er eine für die Sicherheit des Kreml zuständige KGB-Einheit. Nach dem Ende der UdSSR im Jahr 1991 diente er weiterhin als Personenschützer der Kreml-Spitze. 1996 quittierte er den Staatsdienst und wurde Chef des Sicherheitsdiensts des von Beresowski betriebenen Fernsehsenders.

Im Zuge des Privatisierung der Wirtschaft in den 90er Jahren nutzten die häufig aus dem kommunistischen Parteiapparat stammenden Finanz- und Industriemagnaten eigene, oft aus früheren KGB-Leuten bestehende Sicherheitsdienste, um Partnern zu helfen oder konkurrierende Oligarchen auszuspionieren, zu kompromittieren und in die Knie zu zwingen. Beresowskis Stern begann unter Wladimir Putin zu sinken. Die Justiz warf dem Milliardär vor, Devisen der von ihm mehrere Jahre lang kontrollierten staatlichen Fluggesellschaft Aeroflot zu seinen Gunsten in eine Schweizer Firma investiert zu haben. Der ehemalige Aeroflot-Vizedirektor Nikolai Gluschkow kam in Untersuchungshaft.

Verbündete des Kremls der Tat verdächtigt

Im April 2001 versuchte Lugowoj zusammen mit einigen Getreuen, Gluschkow gewaltsam aus dem Krankenhaus zu befreien, in dem er damals behandelt wurde. Der Versuch misslang, Lugowoj wurde zu 14 Monaten Gefängnis verurteilt. Nach Verbüßung seiner Strafe wurde er Geschäftsmann und zog nach eigenen Angaben ein einträgliches Unternehmen, unter anderem zur Vermarktung eines Erfrischungsgetränks, auf. Zugleich betreibt er zusammen mit seinen beiden früheren Studienkollegen an der Militärakademie, Dmitri Kowtun und Wjatscheslaw Sokolenko, eine Wach- und Sicherheitsfirma am Stadtrand von Moskau.

Seine Geschäftspartner Kowtun und Sokolenko begleiteten Lugowoj nach dessen Angaben auch bei seinem Treffen mit Litwinenko am 1. November in London. Die Unterredung war demnach "rein geschäftlicher Natur". Für den folgenden Tag sei eine erneute Verabredung getroffen worden. Litwinenko habe jedoch telefonisch abgesagt, da er sich nicht wohl gefühlt habe. Am 23. November starb der frühere Agent, der auf dem Sterbebett Putin für seinen Tod verantwortlich machte. Beresowski ergeht sich unterdessen in Andeutungen, sein früherer Leibwächter Lugowoj könne "ins Kreml-Lager zurückgekehrt sein". (tso/AFP)

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