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Fall Marwa: Dresdner Kopftuchmord: Zeuge widerspricht Richter

Gleich zu Beginn des Messerangriffs auf die 31-jährige Marwa al Sherbini im Juli hat der Vorsitzende Richter nach Aussage eines Zeugen den Notfallknopf unter seinem Tisch gedrückt. Der Richter selbst hatte eine andere Aussage gemacht.

Dresden -  „Als der Tumult losging, hat er sofort den Alarmknopf bedient, das konnte ich genau sehen“, sagte der damalige Schöffe Johann Augst am Donnerstag im Prozess um den Mord an der jungen Frau. Der Richter selbst hatte am Dienstag ausgesagt, er habe zuerst versucht, ihr zu helfen und dann erst den Knopf betätigt.

Gegen den 46-jährigen Juristen und den Präsidenten des Landgerichts läuft ein Ermittlungsverfahren wegen unterlassener Hilfeleistung und fahrlässiger Tötung. Strafanzeige hatte der Anwalt des Witwers von Marwa al Sherbini gestellt. Eine weitere Schöffin hatte sich am Dienstag während ihrer Zeugenaussage beim Witwer entschuldigt. Sie war aus dem Saal gelaufen, als sich Alex W. auf sein Opfer stürzte.

Al Sherbini, eine 31-jährige ägyptische Apothekerin, die mit ihrem Mann, einem inzwischen promovierten Zellbiologen am Dresdner Max-Planck-Institut, in Dresden lebte, war am 1. Juli während einer Berufungsverhandlung von Alex W. erstochen worden. Die Anklage wirft ihm Mord an ihr und Mordversuch an ihrem 32-jährigen Mann vor – aus „Hass auf Nichteuropäer und Moslems“. Der Ehemann erlitt beim Versuch, seiner Frau zu helfen, lebensgefährliche Verletzungen. Der dreijährige Sohn des Paares musste den Angriff auf seine Eltern mitansehen. Al Sherbini hatte in dem Beleidigungsprozess gegen den 28-jährigen Russlanddeutschen W. ausgesagt, der sie, die ein Kopftuch trug, auf einem Dresdner Spielplatz als „Islamistin“ und „Terroristin“ beleidigt und aufgefordert hatte, den Spielplatz zu verlassen.

Die Familie von Marwa al Sherbini will offenbar Schmerzensgeld vom Freistaat Sachsen fordern. Es gebe derzeit Gespräche mit dem Justizministerium, bestätigte Anwalt Oliver Wallasch, der im Prozess gegen Alex W. die Angehörigen vertritt, am Donnerstag. Über eine Höhe der Zahlungen sei noch nicht gesprochen worden. Die Gespräche seien „seit längerem im Fluss und werden derzeit etwas konkreter“, sagte der Anwalt. Die berufliche und wirtschaftliche Existenz der Angehörigen, insbesondere des Witwers und des Kindes, sei durch die Tat im Landgericht beeinträchtigt.

Der Prozess gegen Alex W. hat am Montag unter massivem Sicherheitsaufgebot begonnen. 200 Polizisten sichern während der vorgesehenen elf Verhandlungstage das Dresdner Landgericht. In dieser Zeit finden dort keine anderen Prozesse statt. In dieser Woche kamen die unmittelbaren Zeugen der Tat zu Wort. Das Urteil wird für Mitte der übernächsten Woche erwartet. ddp/dpa/ade

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