zum Hauptinhalt

Fall Politkowskaja: Der ungesühnte Mord

Nach Pannen und Pleiten: Die Beweislage im Fall Politkowskaja war schlecht. Nun sind die Verdächtigen freigesprochen worden. Die Geschichte eines Skandals.

Moskau - Die Damen und Herren mögen bei der Urteilsfindung in der Mordsache Anna Politkowskaja allein ihrem Gewissen folgen, sagte der Vorsitzende Richter, Jewgeni Subkow, in Moskau und schickte die Geschworenen ins Beratungszimmer. Die erkannten nach nur zweistündiger Klausur auf Freispruch der beiden angeklagten Tschetschenen, die aus Sicht der Anklage den Finger am Abzug hatten, als am 7. Oktober 2006 die tödlichen Schüsse auf die kritische Journalistin abgefeuert wurden. Die Staatsanwaltschaft kündigte Berufung gegen die Freisprüche an. „Wir wollen den echten Mörder“, sagte die Anwältin der Politkowskaja-Familie, Karina Moskalenko, nach dem Freispruch.

Die meisten Beobachter vermuten hinter dem Mord politische Hintergründe. Politkowskaja hatte sich durch kritische Distanz zum Kreml unbeliebt gemacht. Westliche Regierungschefs, darunter auch Bundeskanzlerin Angela Merkel, hatten Aufklärung gefordert und deren Ergebnisse zum Lackmustest für Rechtsstaatlichkeit erhoben.

Die Beweislage war schlecht. Schon die Ermittlungen waren von Pannen und Pleiten geprägt. Zwar hatte Generalstaatsanwalt Juri Tschaika schon 2007 verkündet, Mord und Hintergründe seien aufgeklärt, unter den zehn mutmaßlichen Tätern auch ehemalige und aktive Mitarbeiter der Geheimdienste. Mangels Substanz wurde gegen sieben davon die Anklage aber nach einer Woche wieder fallen gelassen.

Auch der Prozess, der im November gegen die beiden angeblichen Auftragskiller begann, sorgte für einen Skandal. Zum einen, weil die Geschworenen angeblich auf Nichtöffentlichkeit bestanden, was einer dann dementierte. Auch versuchte das Gericht, Beweismaterial zu manipulieren und schmetterte Anträge der Familie Politkowskaja ab. Die Anklage vermutet die noch immer unbekannten Drahtzieher im Umfeld von Tschetschenen-Präsident Ramzan Kadyrow und wollte diesen als Zeugen vernehmen lassen – vergeblich.

Ranghohe Politiker, sagt Alexej Simonow von der Stiftung für Transparenz, seien in Russland tabu. Daher sei keiner der Morde an Journalisten aufgeklärt worden. Seit Ende der Sowjetunion 1991 waren es 45. Der bisher letzte geschah im Januar. Eines der Opfer – die 24-jährige Anastasija Baburowa – hatte wie Politkowskaja für die „Nowaja Gaseta“ gearbeitet. Elke Windisch

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false