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Politik: Falsch beurteilt?

In der Visa-Affäre gerät Kölns Justiz in die Kritik

Berlin - Aus der Affäre um die Visavergabe in Kiew und das Auswärtige Amt droht nun eine Affäre für die Kölner Justiz zu werden. Nach der Aussage der früheren Botschaftsmitarbeiterin Klara Hoppmann vor dem Untersuchungsausschuss in Berlin am Montag mehren sich Hinweise, das Urteil des Landgerichts Köln beruhe in einem wichtigen Punkt nicht auf Tatsachen. Dabei geht es um die Feststellung im Urteil, Angaben des Auswärtigen Amts zu Morddrohungen gegen Hoppmann seien falsch, denn „die Zeugin selbst wusste hiervon nichts“. Hoppmann widersprach dieser Darstellung ihrer damaligen Zeugenaussage jetzt vor dem Ausschuss in Berlin – doch die Richter hatten die Passage in ihr Urteil aufgenommen, obwohl sie es möglicherweise besser gewusst haben.

Das Kölner Urteil vom Februar 2004 gilt als Auslöser der Visa-Affäre. Der Vorsitzende Richter Ulrich Höppner hatte dem Außenamt eine Mitschuld an der Schleuserkriminalität gegeben und deshalb die Strafen der Angeklagten gemildert. Höppner warf der Behörde zudem eine „Hinhaltetaktik“ vor, weil sie die Aussagegenehmigung für die Botschaftsmitarbeiterinnen verzögert hätten, im Falle Hoppmann mit der „falschen“ Begründung, sie werde bedroht.

Hoppmann hatte aber bei ihrer Vernehmung vor dem Kölner Gericht die Morddrohungen gegen sie ausdrücklich erwähnt. Vor dem Visa-Ausschuss sagte sie jetzt, sie habe die Morddrohung jedenfalls „zu keinem Zeitpunkt abgestritten“, sie hatte sogar noch das Datum des Telefonanrufs im Juli 2003 präsent, als ein fremder Anrufer drohte, sie werde wegen der neuerdings wieder strikteren Visapraxis „verunglücken“. Dass vor dem Kölner Gericht darüber gesprochen wurde, geht auch aus Mitschriften von Beamten des Bundesgrenzschutzes hervor, die das Verfahren beobachtet hatten. Zudem haben sich zwei der Richter, Höppner und sein Kollege Wolfgang Schmitz-Justen, bei ihren Vernehmungen vor dem Visa-Ausschuss im März dieses Jahres an eine entsprechende Aussage erinnert. Zur Morddrohung sagte Höppner: „Wenn ich mich jetzt (…) daran erinnere, meine ich, dass sie (Hoppmann – die Redaktion) in diese Richtung etwas gesagt hat. Ich meine, dass wir ihr sogar vorgehalten haben: Da besteht doch jetzt ein Widerspruch.“ Schmitz-Justen sagte, zwar er erinnere sich „nicht konkret“, man habe sich das aber „sicherlich als Merkpunkt aufgeschrieben“ und es würde ihn „sehr wundern, wenn wir nicht in der Sitzung auf diesen Punkt eingegangen wären“.

Wenn sich die Richter ein Jahr nach dem Prozess noch an die Morddrohung erinnern – warum haben sie sich nicht unmittelbar danach an diese Aussage Hoppmanns erinnert, beim Abfassen des Urteils? Im Berliner Ausschuss wurde der Widerspruch nicht näher erläutert, und ein Protokoll der Aussage Hoppmanns vor dem Landgericht existiert nicht, weil solche Protokolle nur an Amtsgerichten üblich sind. Der Grüne Jerzy Montag hatte bereits eine „überschießende Innentendenz“ des Urteils kritisiert – ein juristischer Fachbegriff, der hier eine mögliche Parteinahme des Gerichts andeuten soll.

Juristische Konsequenzen hat die offenbar fehlerhafte Feststellung im Urteil nicht. Die Passage ist ein so genanntes „obiter dictum“, eine Randbemerkung des Gerichts, die nicht zu den tragenden Urteilsgründen gehört. Für eine Revision vor dem Bundesgerichtshof hat sie deshalb keine Bedeutung.

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