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Politik: Falsche Fährten

Unerwartete Wende in der CIA-Affäre: Der Verräter saß bei Colin Powell, nicht im Weißen Haus

Drei Jahre lag ganz Amerika falsch in dieser Affäre: die Medien, der Sonderermittler Patrick Fitzgerald und seine Untersuchungskommission, auch der Präsident. Drei Jahre lang galt „Plamegate“, die Enttarnung der CIA-Angestellten Valerie Plame im Juli 2003, als Racheakt der Kriegspartei im Weißen Haus. Nun kommt heraus, das Leck war ganz woanders: bei den Kriegsskeptikern in Colin Powells Außenministerium. Sein Vize Richard Armitage verriet den Medien als Erster Plames wahre Identität. Offenbar haben beide den Präsidenten im Dunkeln gelassen und ruhig zugesehen, wie das Weiße Haus in der Affäre unter politisches Feuer kam – ein Akt großer Illoyalität, befindet das „Wall Street Journal“.

Es war einer der folgenreichsten Skandale der jüngsten Zeit in den USA. In seinem Verlauf musste Vizepräsident Dick Cheneys Stabschef Lewis Libby gehen, der Sonderermittler warf ihm Meineid vor. Bushs enger Berater Karl Rove stand vorübergehend kurz vor dem Sturz. Ihre Verwicklung galt als Beleg für dunkle Machenschaften der Bush-Regierung. Sie hatte den Irakkrieg mit Saddams Massenvernichtungswaffen begründet. Cheney behauptete wiederholt, Saddam versuche atombombenfähiges Uran in Afrika zu kaufen. Plames Ehemann, Botschafter Joseph Wilson, war 2002 im Auftrag der CIA nach Niger gereist, hatte aber keinen Beleg dafür gefunden. Im Juli 2003 warf er der Bush-Regierung in der „New York Times“ vor, die Öffentlichkeit zu belügen. Kurz darauf konnte man in den Medien lesen, dass Plame bei der CIA arbeitet und Wilsons Ehefrau ist. Die Enttarnung bedeutete das Ende ihrer Karriere – die Strafe für Widerspruch unter Bush, so stellten es die Medien dar.

Die Enttarnung von CIA-Agenten ist strafbar. Schuldig machen sich nach US- Recht aber nicht die Journalisten, die die Informationen veröffentlichen, sondern Staatsdiener, die sie an die Medien verraten. Eine Sonderermittlung mit Starbesetzung wurde eingeleitet. Gesucht wurde vor allem in einer Richtung: im Umkreis des Präsidenten und Vizepräsidenten.

Nun weiß man: Es war die falsche Fährte. In einem neuen Buch, „Hubris. The Inside Story of Spin, Scandal and the Selling of the Iraq War“, outen die Journalisten David Corn und Michael Isikoff jetzt Richard Armitage als erstes Leck in „Plamegate“. Sie nennen ihre Quellen zwar nicht, aber niemand widerspricht ihrer Darstellung. Armitage, damals Colin Powells Vize im Außenministerium, war bekannt für Tratsch und Gerüchte. Offenbar war ihm nicht bewusst, dass Plames Identität und ihre Ehe mit Wilson ein geschütztes Geheimnis war, als er mit Starjournalisten wie Robert Novak und Bob Woodward über sie sprach.

Im Oktober 2003, als die Sonderermittlung wegen Geheimnisverrats bereits lief, wurde Armitage aus einer weiteren Novak-Kolumne klar, „dass ich der Typ sein muss, der die Sache verbockt hat“, heißt es im Buch. „Ein hohes Regierungsmitglied“, aber „keiner der (rechten) Büchsenspanner“, beschrieb Novak seine Quelle. Armitage vertraute sich Powell an. Sie unterrichteten den Rechtsberater des Außenministeriums und das FBI, nicht aber Bush und Cheney.

Das konservative „Wall Street Journal“ dreht den Spieß nun um: Nicht im Weißen Haus seien die Verschwörer zu suchen, sondern bei den Liberalen. Sie hätten „Plamegate“ zu Unrecht in einen Skandal der Bush-Regierung verdreht. Unschuldig sind Bushs und Cheneys Leute aber nicht: Sie haben alles getan, um Plame und Wilson zu diskreditieren.

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