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Politik: Falsches Hirn

London. Die Experimente begannen 1997.

London. Die Experimente begannen 1997. Britische Wissenschaftler versuchten herauszufinden, ob BSE, maskiert von der in Großbritannien verbreiteten Traberkrankheit, Anfang der neunziger Jahre auch in Schafen vorgekommen ist. Dies sei die "vielleicht wichtigste, unbeantwortete Frage über die BSE Epidemie", formulierte Lord Phillips vor zwei Jahren im großen Abschlussbericht seiner fast 100 Millionen Mark teueren BSE-Untersuchung. Am Freitag sollte in London ein Symposium des BSE-Fachgremiums SEAC (Spongiform Encephalopathy Advisory Committee) eigentlich über die Ergebnisse beraten. Aber dazu kam es nicht.

Die britische Regierung hatte sich bereits auf das Schlimmste eingestellt. Notfalls, wurde seit Monaten bereits verbreitet, werde man sämtliche 40 Millionen der von MKS verschonten Schafe auf den britischen Inseln keulen müssen. Doch nun wurde die Konferenz abgeblasen. Das Experiment ist gescheitert. Vier Jahre lang hatten die Wissenschaftler statt mit Schafshirn mit Rinderhirn experimentiert. "Unglaublich", sagt SEAC-Mitglied Harriet Kimbell vom britischen Verbraucherschutzverband. "Was sagen wir der Öffentlichkeit nun über die Sicherheit von Lammfleisch?"

Zwei unterschiedliche Experimente wurden durchgeführt. Einmal untersuchte die "Veterinary Laboratories Agency", ob Schafe heute BSE haben können. Tests an 180 Schafen verliefen bisher negativ. Trotzdem räumte die britische Lebensmittelaufsicht FSA (Food Standards Agency) ein, "dass ein theoretisches Risiko von BSE in Schafen weiter besteht". Das zweite Experiment, durchgeführt vom "Institute of Animal Health" in Edinburgh, hätte dieses theoretische Risiko ausgeschlossen. Wenn es 1990, auf dem Höhepunkt der BSE Krise, bei Schafen kein BSE gab, wäre eine Verbindung von BSE und Schafen ausgeschlossen. Um das herauszufinden, wurde Hirnmasse von in den frühen 90er Jahren geschlachteten, mit der Traberkrankheit infizierten Schafen verschiedenen Mäusegenerationen injiziert. Ein positives Testergebnis hätte bedeutet, dass bei den Mäusen systematisch BSE-ähnliche Erkrankungen auftreten.

Berichten zufolge hatten erste Ergebnisse in britischen Regierungskreisen bereits gewaltige Nervosität verursacht. Misstrauisch geworden, wurden DNA-Analysen angefordert, um eine Verseuchung der Schafshirnmasse mit Rinderhirnmasse auszuschließen. So wurde entdeckt, dass die Wissenschaftler jahrelang mit dem falschen Hirn experimentiert hatten. "Ein ziemlich katastrophaler Irrtum", kommentierte der SEAC-Vorsitzende Peter Smith bitter.

Der Regierung mag erst einmal ein Stein vom Herzen fallen, auch Großbritanniens Schafe sind fürs Erste sicher. Aber nicht nur die Reputation der britischen BSE-Wissenschaft hat schweren Schaden erlitten. Den Verbrauchern fehlt es weiter an der letzten Gewissheit für wirklich unbeschwerten Lammgenuss. Die FSA sieht zwar weiterhin keine Notwendigkeit, vom Lammfleisch-Verzehr abzuraten. Doch Verbraucherschützerin Harriet Kimbell warnt: "Wir sollten mindestens die Verwendung von Lammfleisch in Babynahrung unterbinden".

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