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Politik: Familien-Politik

Ortstermin in Iowa: Wie Hillary Clinton und Barack Obama Wahlkampf machen und das Land von George W. Bush befreien wollen

Die Bühne bildet ein langer Lkw-Pritschenanhänger. Er ist mit Heuballen verkleidet. Dahinter ist eine US-Flagge im XXL-Format aufgespannt. Mehr als tausend Menschen sitzen auf Klappstühlen oder stehen um den rustikalen Laufsteg im Green Square Park von Cedar Rapids herum. Viele halten „Hillary 2008“-Plakate in den Abendhimmel, der sich langsam rötlich färbt. „Ready for change?“, rufen die Aufwärmer in die Menge, Bürgermeisterin Kay Haloran und der populäre Ex-Gouverneur Tom Vilsack. Lautes Johlen ist die Antwort. Oh ja, die Menschen wollen eine Wende nach sieben Jahren Bush, auch in den Farmstaaten des Mittleren Westens, die traditionell den Republikanern zuneigen.

Vilsack, 1998 als erster Demokrat seit 30 Jahren an die Spitze Iowas gewählt, peitscht seine „Ready for …“-Frageliste herunter – Seid ihr bereit für eine allgemeine Krankenversicherung, für das Ende des Irakkriegs, für eine Frau als Präsidentin? Da schwillt der Jubel unvermittelt an: Ein sportlicher Weißhaariger in schwarzem Poloshirt und ausgewaschenen Bluejeans kommt durch den schmalen, mit Metallgittern abgesperrten Gang zur Bühne, muss überall Hände schütteln und Autogramme geben. Als er das Mikrofon übernimmt und seine unverkennbare, heisere Stimme den Park füllt, da scheint die Zeit um ein Jahrzehnt zurückgedreht: die USA unter Bill Clinton, ohne Terrorfurcht und Irakkrieg, mit brummender Wirtschaft und Haushaltsüberschüssen, voller Selbstvertrauen nach dem Sieg über den Kommunismus.

Hillary hat ihren ultimativen Trumpf mitgebracht: ihren Mann. Es ist sein erster offizieller Auftritt in ihrem Wahlkampf. Landesweit führt sie in den Umfragen, wer für die Demokraten antreten soll, nur hier in Iowa nicht. In Iowa aber beginnen in sechs Monaten die Vorwahlen um die Kandidatur. Wer hier und in New Hampshire gewinnt, hat Rückenwind. Wer verliert, ist schon fast aus dem Rennen. So werden die Wähler in Iowa umgarnt, wie sonst nirgends in den USA. Selbst zu einer Hauspartie mit 50 oder 100 Leuten kommen die Kandidaten. In dieser Woche um den 4. Juli, den Nationalfeiertag, sind sie tagelang hier. Die Luft knistert vor allem wegen des Spitzenduells bei den Demokraten: Hillary, 59 Jahre, Senatorin von New York und ehemalige First Lady, gegen Barack Obama, den 45 Jahre jungen schwarzen Senator aus Chicago, Illinois. Im „Money Race“ um die Wahlkampfspenden hat er sie gerade deutlich geschlagen: 32,5 Millionen Dollar holte er im zweiten Quartal, 258 000 Bürger spendeten für ihn: Beides gab es nie zuvor bei den Demokraten.

Bill ist Wunderwaffe und Risiko zugleich: Er darf Hillary nicht überragen. Er preist ihre Klugheit, ihre Erfahrung. „Selbst wenn wir nicht verheiratet wären, würde ich sie unterstützen. Sie ist einfach die Beste.“ Hillary, weißer Blazer zu schwarzen Hosen, hört bewundernd zu und freut sich wie ein Mädchen, als er sie umarmt und ihr das Mikrofon überlässt. Hat sie die Einführung nicht zehn Mal allein in den vergangenen drei Tagen auf und ab in Iowa gehört?

Dann hat sie die Bühne, Bill setzt sich auf einen Klappstuhl zwischen die Heuballen, gibt den interessierten Zuhörer, als Hillary von ihrer Mutter erzählt, der das Geld fürs Studium fehlte, dem Schuften der Eltern, damit die Tochter an die Uni kann. „Heute feiern wir Amerikas Freiheit“, kommt sie zum Nationalfeiertag. Wollt ihr frei sein – von der Angst vor Krankheit?“ Beifall. „Von der Furcht vor Terror?“ Jubel. „Frei von George Bush?“ Da explodiert der Park fast vor Begeisterung.

Auch Barack Obama hat seine Familie mitgebracht. Nach Ottumwa, von wo gerade 120 Reservisten in den Irak verlegt wurden. Ins Smokey Row Coffee House in Oskaloosa, eine kleine Landstadt mitten im Staat. Nach Pella, wo die bisherigen Republikanerwähler Ken und Heather zu einer Wählerpartie mit ihm auf ihr Grundstück laden. In den Beaverdale Park in der Hauptstadt Des Moines, wo am Abend des 4. Juli 3000 Menschen auf ihn warten. Michelle führt ihren Mann ein, als „normale Mutter, ganz normale Ehefrau, ganz normale Bürgerin“, die ältere Tochter Malia an der Hand, die heute ihren neunten Geburtstag feiert. „Ich wollte ihn von der Politik abbringen, weil ich an unserer Politik verzweifle – wie so viele von euch. Aber wir brauchen ehrliche Politiker wie ihn, die nicht aufgeben.“

Obama hat die Ärmel seines weißen Hemds hochgekrempelt, bereit zum Aufräumen. Der begnadete Redner ist zum Rockstar geworden mit seiner Botschaft der Hoffnung. „Amerika kann es besser“ als unter Bush. Er selbst ist der Beweis, dass ein Schwarzer es nach ganz oben schaffen kann. Chancen für die „normalen Familien“ statt nur für die Reichen, Bildung und Krankenversicherung für alle, Abzug aus dem Irak, sind auch Obamas Botschaften. „Mit Energiesparen und Biotreibstoff hier aus Iowa können wir uns unabhängig vom Öl des Mittleren Ostens machen“, sagt er.

Wenn er nach seiner Rede durch die Menge geht, seine Bücher signiert, Babys küsst, sich mit Familien und Behinderten fotografieren lässt, bleibt ein Glanz in den Augen der meisten. Sein Publikum ist etwas jünger als Hillarys. Er ist der Held der Basis. Die Clintons haben mehr Einfluss in der Parteihierarchie. Amerika, sagen die Bürger von Iowa, kann 2008 nur gewinnen, sie haben eine gute Wahl.

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