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Politik: Fast ohne Boden?

Experte beziffert Kosten der Einheit auf bisher 1,5 Billionen Euro – und wirft dem Bund Verschleierung vor

Berlin/Schwerin - Die deutsche Einheit ist nach einer neuen Berechnung weitaus teurer als bislang angenommen. Klaus Schroeder, Leiter des Forschungsverbundes SED-Staates an der Freien Universität Berlin, bezifferte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ (FAS) die bisherigen Kosten der Wiedervereinigung auf 1,5 Billionen Euro. Alle Bundesregierungen hätten versucht, diese Kosten zu verschleiern – „wohl um eine Neiddebatte zu verhindern“, so der Wissenschaftler. Schroeder räumte ein, dass es nur Schätzungen zur Höhe der Transfers gebe. Die vom Institut für Wirtschaftsforschung Halle errechnete Summe von brutto 1,2 Billionen Euro für die Jahre 1991 bis 2003 sei jedoch zu gering.

Der auch für den Aufbau Ost zuständige Bundesverkehrsminister Manfred Stolpe (SPD) wies die Berechnungen gegenüber dem Tagesspiegel als „unseriös und unredlich“ zurück und sprach von „Fantasiezahlen“. Schroeder habe alle Zahlungen von Bund, West-Ländern und Sozialversicherung an die neuen Länder addiert und ignoriere, „dass die Menschen in den ostdeutschen Ländern über ihre Steuer- und Beitragszahlungen sowie Renten- und Krankenkassen an der Finanzierung beteiligt“ gewesen seien. Die reinen Sonderleistungen für den Osten von 1990 bis 2003 belaufen sich nach Auskunft von Stolpe auf etwa 15 Milliarden Euro pro Jahr.

Zur Forderung von Baden-Württembergs Finanzminister Gerhard Stratthaus (CDU), die Finanzhilfen für den Osten nicht über das Jahr 2019 hinaus zu verlängern, hieß es am Sonntag in Stolpes Ministerium: „Die Angst, dass das weiter gehen könnte, können wir ihm nehmen: Der Solidarpakt II ist ohnehin bis 2019 befristet.“ Weitere Leistungen seien nicht geplant. Von den 156 Milliarden Euro des Paktes stünden den ostdeutschen Ländern 105 Milliarden vorwiegend für den Ausbau der Infrastruktur zur Verfügung. Die anderen 51 Milliarden würden im Bundeshaushalt zur Finanzierung verschiedener Einzelvorhaben bereitgestellt. Im einmal jährlich tagenden Finanzplanungsrat müssten die Länder Rechenschaft über ihre Ausgaben ablegen. „Die Angst im Westen, dass das Geld hier versickert, ist unbegründet“, sagte eine Ministeriumssprecherin. Sie bezog sich dabei auch auf die Forderung des nordrhein-westfälischen SPD-Vorsitzenden Harald Schartau, der in einem Interview der FAS den sorgsamen Umgang mit den Transfers angezweifelt und Rechenschaft über die Verwendung der Gelder verlangt hatte.

Mecklenburg-Vorpommerns Wirtschaftsminister Otto Ebnet (SPD) sagte zur Kritik seines Parteifreundes: „Schartau liegt weit daneben.“ Die Kritik beziehe sich auf einen Missstand aus den 90er Jahren. „Inzwischen wird die Förderung hart an die Schaffung von Arbeitsplätzen gekoppelt.“ Eine Sprecherin von Ministerpräsident Harald Ringstorff (SPD) wies die Kritik ebenfalls zurück: „Wer mit einem realen Blick auf die neuen Bundesländer schaut, wird sehen, dass wir noch viel Hilfe benötigen.“ Außerdem lege der Osten mit den jährlichen Fortschrittsberichten umfassend Rechenschaft darüber ab, was mit den Mitteln für den Aufbau Ost geschehe.

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