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Politik: FDP-Chefin Ruth Wagner hält fest zu Roland Koch

Das bringt sie in Rage. Richtig wütend kann Ruth Wagner werden, wenn ihr einer unterstellt, sie klebe an ihrem Posten und an der Macht.

Das bringt sie in Rage. Richtig wütend kann Ruth Wagner werden, wenn ihr einer unterstellt, sie klebe an ihrem Posten und an der Macht. "Jeder, der mich kennt, weiß, dass ich mein Lebensziel nicht in einem Regierungsamt gesehen habe", kontert die hessische FDP-Vorsitzende dann. Aber Wut kann verräterisch sein. Den Wahlerfolg ihrer Partei in Schleswig-Holstein jedenfalls hat Ruth Wagner kaum genießen können. Denn der strahlende Sieger, Wolfgang Kubicki, nutzte die Stunde des Triumphes, um seine Position und die des gesamten Bundesvorstands noch einmal zu Protokoll zu geben: Der affärenbelastete hessische CDU-Ministerpräsident Roland Koch muss gehen. Andernfalls kann die Koalition aus CDU und FDP keinen Bestand haben. Doch Ruth Wagner gibt sich unbeeindruckt von dem Getöse. Roland Koch steht für sie partout nicht zur Disposition.

Am Wochenende goss sie noch einmal Öl ins Feuer. Erneut verbat sich Ruth Wagner die Ratschläge von anderen, warnte gar vor einer "Parteiendiktatur", sprach von einer Krise, die man sich ohne Not ins Haus geholt habe und drohte den Kritikern in den eigenen Reihen unverhüllt mit ihrem persönlichen Rückzug, sollte man ihr am kommenden Sonnabend die Gefolgschaft verweigern. 100 von 300 Delegierten des Sonderparteitags der hessischen FDP sollen dazu bereits fest entschlossen sein.

Klaus Blechschmidt, der Vorsitzende der Liberalen im Hochtaunuskreis, koordiniert den Widerstand der Basis gegen die eigene Landesvorsitzende und gegen die FDP-Landtagsfraktion. Blechschmidt glaubt an den Erfolg. "Ruth Wagner läuft gegen eine Wand", sagt er und fügt hinzu: "Sie nimmt alles persönlich, als Majestätsbeleidigung. Das kommt nicht an. Die Liberalen sind ein eigenes Völkchen." Die Vorsitzende selbst habe schließlich die Initiative zu diesem Sonderparteitag ergriffen, sagte er am Montag dem Tagesspiegel. "Wer die Basis einlädt, muss auch die Meinung der Basis respektieren."

"Zwei D-Züge fahren aufeinander zu": So beschreibt die frühere FDP-Bundestagsabgeordnete Gisela Babel das Drama. In den Führerständen der beiden Züge sitzen ausgerechnet die Prominentesten der hessischen FDP, Ruth Wagner und Wolfgang Gerhardt. Beide kennen sich gut, vielleicht zu gut. Ruth Wagner hat unlängst an die gemeinsame Wegstrecke erinnert, an gemeinsam durchgestandene Höhen und Tiefen: 1982 etwa, es war das Schicksalsjahr der FDP, Hans-Dietrich Genscher hatte Bundeskanzler Helmut Schmidt gestürzt, und die hessische FDP musste die in Bonn angerichtete Suppe auslöffeln. Bei der Landtagswahl quittierten die Hessen den "Verrat in Bonn" mit vernichtenden 3,1 Prozent für die FDP. Plötzlich war die Partei abgestürzt. Damals hätten sie einen ungewöhnlichen Kampfbund geschlossen, erinnert sich Ruth Wagner. Sie selbst und Wolfgang Gerhardt hätten private Kredite aufgenommen, um nicht aus finanziellen Gründen auf ihre Beamtenstellen zurückkehren zu müssen. Schon 1983 schafften sie das Comeback, die FDP kehrte in den Landtag zurück.

Ruth Wagner hat immer geackert. Wolfgang Gerhardt, drei Jahre jünger als sie, war ihr stets einen Schritt voraus. Gerhardt errang bereits 1987 Ministerehren, Ruth Wagner erst zwölf Jahre später. 1995 stieg sie zur Landesvorsitzenden auf, Wolfgang Gerhardt war zum Bundesvorsitzenden gewählt worden. Der erbittert ausgetragene Kampf in der hessischen FDP ist also auch die fast tragische Konfrontation zweier Weggefährten. Ruth Wagner ist seit 1971 Mitglied der FDP. Der Vordenker der sozialliberalen Koalition, Karl-Hermann Flach, war ihr politisches Vorbild. Mit den "Freiburger Thesen", der grünen Bibel der Sozialliberalen, zog sie in ihren ersten Wahlkampf, für Hans-Dietrich Genscher und Werner Maihofer.

Weshalb sie sich trotzdem so beharrlich an einen CDU-Ministerpräsidenten bindet, der seinen Wahlkampf mit einer Doppelpasskampagne gewann, die ausländerfeindliche Emotionen freisetzte, bleibt vielen unverständlich. Gerade in diesen Tagen berät der Landtag die Einführung der "Schleierfahndung" in Hessen. Nach dem Willen von CDU und FDP soll die Polizei ermächtigt werden, jederzeit Personenkontrollen durchzuführen, ohne konkreten Anlass. Das sei mit liberalem Gedankengut unvereinbar, heißt es dazu in ihrer eigenen Partei. Und Hessens Justizminister Christean Wagner, der im Wahlkampf den "härtesten Strafvollzug" der Republik versprochen hat, will den geschlossenen Strafvollzug wieder zur Regel machen. Dabei waren es einst liberale Justizminister, die den Vorrang der Resozialisierung durchgesetzt hatten. Ein führender Kopf der FDP, der in Mainz zusammen mit der SPD regiert, hält die hessischen Parteifreunde schon für "Totengräber des Liberalismus". Der "Law-and-Order-CDU" hätten sie nichts mehr entgegenzusetzen.

Dass sich Ruth Wagner nach einer Niederlage auf dem Sonderparteitag aus der Politik zurückziehen könnte, halten viele für denkbar. Schließlich gibt es neben der öffentlich wahrgenommenen Kämpferin auch eine andere Ruth Wagner: "Wer nur für die Politik lebt und in der Politik, für den ist die Welt eng", sagt die Kunstliebhaberin, Leseratte und Hobbymalerin, die Dienstreisen schon immer zu Museumsbesuchen genutzt hat. "Das ist eine ganz andere Welt", sagt sie, "eine Welt ohne Zwecke, aus der ich Kraft schöpfe." In ihrer Etagenwohnung in Darmstadt nimmt das Atelier einen großen Teil ein. Auf dem Boden staffeln sich hintereinander Ölgemälde. Sie bevorzugt Abstraktes und schwelgt in Farben. Die Malerei litt schon vor dem Regierungsamt unter dem Termindruck, als sie "nur" FDP-Landes- und Landtagsfraktionsvorsitzende war. Vielleicht hat sie ja bald wieder mehr Zeit.

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