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Wahlwerbung der FDP in Brandenburg

© dpa

FDP: Eine letzte Chance für die Liberalen

Die FDP wird gebraucht – aber nur, um Rot-Rot-Grün oder ewig Schwarz-Rot zu stoppen. Denn jung und forsch zu sein reicht als Qualifikation für Ministerämter nicht aus. Die FDP hat nur noch eine Chance, wenn Union und SPD Fehler machen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Gerd Appenzeller

Nichts ist stärker als eine Idee, deren Zeit gekommen ist. Aber nichts erklärt auch besser als dieser, Victor Hugo zugeschriebene, Satz, warum die Freien Demokraten in einer existentiellen Krise stecken. Eine Idee, für die die deutschen Liberalen heute als einzige Partei stehen könnten, ihr Alleinstellungsmerkmal, eine solche Idee ist weit und breit nicht erkennbar. Die Bürgerrechtspartei eines Karl-Hermann Flach oder Ralf Dahrendorf gehört der Geschichte an. Gerhart Baum und Burkhard Hirsch, die als Minister für die Umsetzung dieser Vorstellungen in Politik standen, sind nur noch Erinnerung.

Genscher ist es, der für die positive Erinnerung an die FDP steht

Die Zeiten, in denen Freie Demokraten für ein Aufbrechen verknöcherter Strukturen in der konservativ geprägten, jungen Bundesrepublik standen, in denen sie die Ostpolitik und den KSZE-Prozess entscheidend vorantrieben, sind mit Namen wie Walter Scheel und Hans-Dietrich Genscher verbunden. Der trat vor 22 Jahren als Außenminister zurück. Nichts sagt mehr aus über den Zustand der Partei heute als die Tatsache, dass es im öffentlichen Bewusstsein noch immer Genscher ist, der für die positive Erinnerung an die FDP steht.

Damit sind wir auch schon bei der zweiten Erklärung für den Niedergang der Liberalen. Wenn schon keine elektrisierenden Ideen die Wähler beeindrucken, müssen es wenigstens Köpfe sein, deretwegen man nur diese und keine andere Partei wählen müsste. Guido Westerwelle war dieses Zugpferd. 2009 überzeugte er 14,6 Prozent der Wählerinnen und Wähler, ein grandioses Ergebnis. Vier Jahre später folgte mit einem anderen Spitzenkandidaten der Absturz der FDP auf 4,8 Prozent und der Rauswurf aus dem Bundestag. Noch nie in der bundesdeutschen Geschichte hat eine Regierungspartei binnen einer Legislaturperiode zwei Drittel der Wähler verloren.

Jung und forsch zu sein reicht als Qualifikation für Ministerämter nicht aus – das musste in der schwarz-gelben Koalition übrigens nicht nur die FDP lernen. Aber die Union hatte eben Angela Merkel. Die überstrahlte die auch in der Union vorhandenen Schattenseiten. Noch mehr als der Mangel an überzeugendem Personal machte der FDP aber der Verdacht zu schaffen, ihr einziger Existenzzweck sei die Versorgung der eigenen Klientel. Natürlich ist es heuchlerisch, die Nähe zur Wirtschaft grundsätzlich als problematisch darzustellen, die Orientierung an den Gewerkschaften aber prinzipiell wünschenswert zu finden – so, als stünde das eine für Egoismus, das andere für Altruismus. Der Rheinische Kapitalismus, mit dem die Bundesrepublik gut gefahren ist und der im Kern ja noch immer funktioniert, war immer Ausgleich zwischen beiden Interessensphären.

Die Liberalen haben noch eine kleine Chance

Aber die Mischung aus FDP-Mövenpick-Spende hier und Westerwelle-Lästern über vermeintliche spätrömische Dekadenz dort, das war eben zu viel. Kleine Parteien sind von Existenz gefährdenden Wählerwanderungen mehr bedroht als große. Schon vergessen, dass die westdeutschen Grünen 1990 mit 3,8 Prozent nicht in den Bundestag kamen und nur dank Bündnis 90 dem Namen nach überlebten? Die Liberalen haben noch eine kleine Chance, zurück zu kommen – wenn die Koalition aus Union und SPD weiter Fehler macht. Aus eigener Kraft wird die FDP es nicht schaffen. Denn weder die Ideen noch die Köpfe sind erkennbar.

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