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Schlecker ist pleite. Eine Transfergesellschaft ist an der FDP gescheitert.

© dapd

FDP in der Kritik: Gelbe Signale in Sachen Schlecker

Die FDP hat mit der Absage an eine Schlecker-Auffanglösung polarisiert. Manche bescheinigen der Partei Standhaftigkeit, andere Wahlkampf-Kalkül. Wird die Schlecker-Entscheidung den Liberalen nutzen oder schaden?

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Philipp Rösler erweckt nicht den Eindruck eines Menschen, dem die Sache übermäßig leid tut. Am Donnerstag haben drei FDP-Landeswirtschaftsminister den Plan des grün-rot regierten Baden-Württemberg zu Fall gebracht, die Mitarbeiter der insolventen Drogeriekette Schlecker durch eine Transfergesellschaft vor der unmittelbaren Arbeitslosigkeit zu bewahren. Kurz drauf tritt der FDP-Chef vor Kameras und rechtfertigt den Schritt. „Schäbig“ sei es von der Stuttgarter Landesregierung gewesen, falsche Hoffnung zu wecken: „Jetzt gilt es für die Beschäftigten – mehr als 10 000 vornehmlich Frauen, einzelne Mütter und ältere Frauen – schnellstmöglich eine Anschlussverwendung selber zu finden.“

Was sagt die Wortwahl aus?

„Anschlussverwendung“ – der Begriff stammt aus dem Bürokratensprech der Bundeswehr. Der Adoptivsohn eines Soldaten und Ex-Stabsarzt wird sich nichts dabei gedacht haben. Aber selbst im FDP-Forum im Internet finden nicht alle die Wortwahl glücklich angesichts einer anstehenden Massenentlassung. Die Kritiker des FDP-Verhaltens aber nehmen den Satz als letzten Beweis dafür, dass die vom Untergang bedrohte FDP bei der Suche nach Profilierung keinerlei Rücksicht mehr nimmt.

Ob die Schlecker-Entscheidung den Freidemokraten eher nutzt oder eher schadet, ist allerdings nicht ausgemacht. Von den rund 500 E-Mails an die Parteizentrale war die Hälfte ablehnend – oft mit Verweis darauf, dass die Liberalen durchaus Geld übrigen hätten, wenn es nicht um arme Frauen gehe, sondern um Hoteliers und Banken. Rösler und seine Berater setzen trotzdem darauf, dass es nutzt. „Wenn Sozialdemokraten und Gewerkschaften uns beschimpfen, soll uns das doch gerade recht sein“, freut sich ein FDPler.

War die Entscheidung der FDP konsequent?

Tatsächlich knüpft Wirtschaftsminister Rösler an Vorbilder und Vorgänger an. Der frischbackene Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) wurde seinerzeit schlagartig bekannt, als er im Streit um Opel-Bürgschaften kurz mal mit Rücktritt drohte. Sein FDP-Nachfolger Rainer Brüderle verweigerte dem Autokonzern sogar weitere Hilfen. Geschadet hat das beiden nicht, im Gegenteil: Eigene Anhänger lassen sich von der Behauptung großer Grundsatztreue durchaus beeindrucken. Und auf diese Anhänger kommt es für die schwer gebeutelte Partei an. Dass eine große Mehrheit der Bürger die FDP jetzt womöglich noch unsäglicher findet als vorher schon, kann ihr egal sein – so lange bei den Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen jene kleine Minderheit ihr wieder die Stimme gibt, die für fünf Prozent plus etwas x nötig sind.

Wie kommt das in der eigenen Partei an?

Die eigenen Wahlkämpfer teilen diese Einschätzung offenkundig jedenfalls insoweit, als sie Rösler und den drei Länder-Kollegen aus Niedersachsen, Sachsen und Bayern nicht widersprechen. NRW-Spitzenkandidat Christian Lindner, zu Gast beim ARD-Talker Beckmann, gibt zu bedenken: „Der Staat kann nicht einzelnen Unternehmen zu Hilfe eilen.“ Selbst der Kieler Spitzenmann Wolfgang Kubicki, sonst für jede Spitze gegen Rösler gut, kommt am Freitag schließlich zu dem Schluss, das Verhalten der drei Länder-Kollegen sei „ordnungspolitisch ... nachvollziehbar“. Zwingend nötig kann es Kubicki aber nicht finden – die schwarz-gelbe Landesregierung in Kiel war für Bürgschaftszusagen offen.

Entscheidend für Rösler und seine FDP wird freilich sein, ob sich ihre Lesart durchsetzt, es sei wirklich ums Prinzip gegangen und nicht um Wahltaktik. Einwenden lässt sich dagegen, dass die FDP in Bayern als dem zuletzt entscheidenden Bundesland keineswegs von Anfang an Nein zur Transfer-Bürgschaft gesagt hat. Wenn alle Länder mitgemacht hätten, sagt selbst Wirtschaftsminister Martin Zeil (FDP), hätte er seine Bedenken zurückgestellt. Das ist pragmatisch verständlich, hat nur mit Grundsätzen nichts zu tun. Und noch an einer anderen Stelle könnte der Schritt sich speziell für Rösler als Problem erweisen. Zu jenem „mitfühlenden Liberalismus“, unter dessen Banner Rösler den Sturz des Vorgängers Guido Westerwelle mit betrieben hat, passt das kühle Reden über „Anschlussverwendung“ nur schwer.

Welche Wellen die Entscheidung in Bayern geschlagen hat

Wie geht man in Bayern mit der Schlecker-Entscheidung der FDP um?

Im Freistaat hat das Verhalten von Wirtschaftsminister Zeil heftige Verärgerung im schwarz-gelben Regierungsbündnis ausgelöst. Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) hatte schon eingestanden, dass er beim Ringen um die Bürgschaftsmillionen dem kleinen Koalitionspartner habe nachgeben müssen. Nun legt CSU-Fraktionschef Georg Schmid nach: Eine Auffanglösung sei an einer „Maximalposition“ gescheitert. Statt auf die Ablehnung der FDP in Niedersachsen und Sachsen zu verweisen, hätte Zeil dort auch „eindringlich um Zustimmung werben können“.

Mit seinem Nachgeben steht Seehofer nun geschwächt da. SPD-Landtagsfraktionschef Markus Rinderspacher poltert denn auch, die Regierungsmitglieder seien „verantwortungslose Arbeitsplatzvernichter“ – Seehofer habe sich „demonstrativ hilflos“ hinter seinem Stellvertreter Zeil versteckt, das sei ein Zeichen von Führungsschwäche.

Zeil selbst steht aber auch wegen eines anderen Falls in der Kritik: Den Mitarbeitern der wegen massiven Ungezieferbefalls ruinierten Großbäckerei Müller versprach er „Hilfen“, wenn auch keine finanziellen – und das zeitgleich mit seinem „Nein“ zu einer Schlecker-Auffanglösung. Ausgerechnet der vorherige Müller-Besitzer Klaus Ostendorf, dem viele den Bankrott anlasten, darf nun die Konkursmasse wieder günstig erwerben. Die SPD fordert Zeil auf zu prüfen, ob damit das Insolvenzrecht missbraucht wird.

Dennoch: Die bayrische FDP kostet diesen vermeintlichen Sieg aus: Einen „ganz schlechten Stil“ und „Legendenbildung“ wirft die bayerische Generalsekretärin Miriam Gruß dem CSU-Finanzminister Markus Söder vor. Dieser hatte zuvor gesagt, die FDP habe für ihre Entscheidung wohl politische, aber keine fachlich nachprüfbaren Motive gehabt. Horst Seehofer wiederum, soviel ist klar, will jetzt nicht den ganz großen Konflikt mit der FDP, der das vorzeitige Ende des Bündnisses einläuten könnte. Strategisch wartet er noch ab, ob sich eine Stützung von Seiten der CSU lohnt – oder ob er den Partner besser ganz abschreiben sollte.

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