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Doppelte Funktion, doppelter Ärger. Parteifreunde von Guido Westerwelle werfen die Frage auf, ob der unbedingt Minister und Parteichef zugleich bleiben muss.

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FDP: Liberale Selbstzweifel

Die FDP im Stimmungstief: Es gibt Streit über Themen, Strategien – und Fehler des Vorsitzenden Guido Westerwelle.

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Berlin - Es brodelt in der FDP: Zwei Wochen nach dem enttäuschenden Wahlausgang in Nordrhein-Westfalen befinden sich die Liberalen auch bundesweit im Umfragetief. Mit offener Kritik an der FDP-Führung, wie der frühere Parteichef Wolfgang Gerhardt sie am Wochenende geübt hat, halten sich viele in der FDP noch zurück. Doch die Unzufriedenheit ist groß, sowohl mit dem aktuellen Spitzenpersonal als auch mit dem inhaltlichen Profil der Partei. Der FDP-Vorsitzende und Vizekanzler Guido Westerwelle sei in den aktuellen Debatten häufig abgetaucht, klagt ein führender Liberaler, der nicht genannt werden will. „Wir vermissen seine Führungsrolle.“ Ein Defizit, das auch die Vorsitzende der Bundestagsfraktion, Birgit Homburger, überhaupt nicht auffangen könne.

Bei einer Fraktionsklausur am 7. Juni und einer Sondersitzung des Bundesvorstands Ende Juni will die FDP darüber debattieren, wie es weitergeht – mit welchen Themen und mit welcher Strategie. Ein „reinigendes Gewitter“ erhofft sich ein FDP-Politiker, ein anderer spricht von einer „Führungskrise“ und einer „desaströsen Situation“.

Verstärkt gerät dabei auch FDP-Chef Westerwelle in die Kritik. Während der Euro-Krise habe er sich als Außenminister nicht gezeigt. Und nun überlasse er auch noch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) ohne Widerspruch das Feld bei der Spardiskussion über den Bundeshaushalt, kritisiert ein Parteifreund. Andere werfen die Frage auf, ob es nicht sinnvoll sei, das Ministeramt und den Parteivorsitz zu trennen. Das Problem sei nur, dass es derzeit keinen naheliegenden Nachfolger für Westerwelle als Parteichef gäbe. „Keiner will den ersten Stein werfen“, sagt einer seiner parteiinternen Kritiker. „Die Frage ist: Was hätten wir für eine Alternative?“ Der neue Generalsekretär Christian Lindner sei noch nicht so weit, das Amt zu übernehmen.

Die schlechte Stimmung spiegelt sich auch in FDP-Landesverbänden wider. „Ich gehe davon aus, dass die Parteigremien im Juni diese Situation schonungslos analysieren. Die Liberalen müssen nach der Sommerpause mit einer klaren liberalen Agenda auf Bundesebene wieder Präsenz zeigen“, fordert der Berliner FDP-Landeschef Christoph Meyer. Es reiche nicht aus, Fehler wie auf dem Bundesparteitag zwei Wochen vor der NRW-Wahl einzugestehen. Damals hatte Westerwelle zum holprigen Start der schwarz-gelben Koalition gesagt, dass in der Regierung Fehler gemacht worden seien. Das reicht Meyer nicht aus: „Die Partei muss nach vorne gerichtet aus den Fehlern lernen“, fordert er.

Für Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) gehört dazu auch eine andere Ausrichtung der Partei. Die FDP müsse ihre Prioritäten so setzen, dass „die Bürger wieder Vertrauen in sie haben“, sagte die bayerische Landeschefin der Münchner „Abendzeitung“. Dazu gehöre auch ein Bekenntnis zur Regulierung des „wilden Spekulantentums“. Darüber hinaus empfiehlt die FDP-Politikerin ihrer Partei eine Öffnung für Bündnisse nicht nur mit der Union. Zwar respektiere sie das Nein der FDP in NRW zu einer Koalition mit SPD und Grünen. Mit „Ausschließeritis“ werde man aber dem sich etablierenden Fünf-Parteien-System nicht gerecht.

Auch andere in der FDP empfehlen ihrer Partei, sich thematisch wieder breiter aufzustellen – von den Bürgerrechten bis zur Bildung. Unmittelbar nach der NRW-Wahl hatten die Liberalen angesichts der desolaten Haushaltslage und der Euro-Krise ihr zentrales Wahlkampfversprechen – Steuersenkungen im Umfang von 16 Milliarden Euro – kassieren müssen, nachdem die Kanzlerin dieses Thema abgeräumt hatte. Stattdessen verpflichtete sich die Bundesregierung kurz später im Zuge des 750-Milliarden-Euro-Rettungspakets, gemeinsam mit den EU-Partnern die Einführung einer Finanztransaktionssteuer zu prüfen. Eine Düpierung der FDP, die ein Bekenntnis zu dieser Steuer noch kurz zuvor zur Koalitionsfrage erklärt hatte.

Nach Ansicht ihres früheren Vorsitzenden Gerhardt sollte die FDP sich einen solchen Umgang wie beim Thema Steuerreform nicht bieten lassen darf. „Die Kanzlerin kann nicht per Dekret eines unserer zentralen Projekte beiseiteschieben“, sagte der Vorsitzende der Friedrich-Naumann-Stiftung am Wochenende im Interview mit dem Tagesspiegel. Der Parteiführung warf er vor, „der Aussetzung der Steuerreform durch die Kanzlerin nicht klar genug widersprochen“ zu haben.

Die Stimmung in der FDP dürfte sich auch nicht dadurch verbessern, dass sie vom bayerischen Ministerpräsidenten und CSU-Chef Horst Seehofer ungebetene Ratschläge erhält. „Die FDP hat in den ersten Regierungsmonaten Fehler gemacht. Sie sollte sich jetzt wieder stärker an den Realitäten in diesem Land orientieren und ihre Prioritäten neu setzen“, sagte Seehofer zum Wochenbeginn. Dann gehe es auch wieder in eine positive Richtung.

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