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FDP: Nähe zu beiden Seiten

Die FDP profitiert von den Problemen der Union. Für den Wahlkampf positionieren sich die Liberalen nahe an den Christdemokraten - aber auch nicht allzu fern von der SPD.

Von Antje Sirleschtov

Berlin - Im Hauptquartier der Sozialdemokratie, dem Berliner Willy-Brandt- Haus, sind sie am Mittwochmorgen einen kleinen Augenblick lang überrascht gewesen. Noch nie zuvor hatte ein Generalsekretär der FDP darum gebeten, auf der Internetseite des „Vorwärts“, der traditionsreichen SPD-Parteizeitung, einen Gastbeitrag veröffentlichen zu dürfen. Doch nun steht es eben dort anlässlich des 90. Jahrestages der Reichspräsidentenwahl von Friedrich Ebert und an prominentester Stelle: Das Loblied des FDP-Generals Dirk Niebel auf die segensreichen Verbindungen von Sozialdemokraten und Liberalen in der deutschen Geschichte. Man muss das Niebel-Werk gar nicht lesen, um zu wissen, was dahintersteckt: Die FDP positioniert sich für den Wahlkampf. Nah an der Union zwar, aber auch nicht allzu fern von der SPD. Wenn es um die Regierungsbildung in diesem Herbst geht, wäre FDP-Chef Guido Westerwelle gern das entscheidende Zünglein an der Waage.

Die spektakuläre Ablösung des Bundeswirtschaftsministers, die zum Wochenbeginn ein Schlaglicht auf die mangelhafte wirtschaftspolitische Verfassung der Union warf, hat Westerwelles Strategie aufs Trefflichste vorangetrieben. Ein amtsmüder 64-jähriger CSU-Minister Glos wird durch einen 37-jährigen CSU-Außenpolitiker Guttenberg ersetzt: Da bedurfte es noch nicht einmal eines Hinweises auf die ökonomische Kompetenz der FDP, um jedem verständlich zu machen, wo die Gefahr für die Union liegt. Nämlich in der weiter wachsenden Enttäuschung konservativer und wirtschaftsorientierter Wähler von CDU und CSU und deren massenhafter Hinwendung zur FDP. 18 Prozent Zustimmung in der aktuellen Umfrage attestierte das Institut Forsa Westerwelles Partei am Mittwoch, und eine Art Austausch im bürgerlichen Lager: 37 Prozent der Bürger, die FDP wählen wollen, hätten früher für die Union votiert. Sie vermissten Identität und „klaren Kurs“ der Union und sähen ihre Interessen eher bei der FDP aufgehoben. Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) forderte daraufhin seine Partei auf, ihr wirtschaftspolitisches Profil bei der nun anstehenden Erarbeitung des Wahlprogrammes zu schärfen.

Nun müsste die kurzfristige Hinwendung von Unionswählern zur FDP allein ja noch kein Schaden für die Union und ihre Kanzlerin sein. Schließlich verfolgt man ja gemeinsam mit der FDP ein schwarz-gelbes Ziel, und dafür ist es allemal besser, die enttäuschten Unionsanhänger wählen Westerwelle, statt zu Hause zu bleiben. Allerdings könnte ein solcher Trend auch dazu führen, dass es im September zum zweiten Mal in Folge keine Mehrheit für Schwarz-Gelb gibt – ein Albtraum für die Union. Denn sie hätte dann ihre wirtschaftlich interessierten Wähler an eine FDP verloren, die sich mit diesem Schatz im Rucksack an einer Regierung mit der SPD beteiligt.

Wie so etwas aussehen könnte, kann man auch in dieser Woche, am morgigen Freitag, begutachten. Dann nämlich wird Guido Westerwelle gemeinsam mit dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier in Berlin zu sehen sein. Die neueste Westerwelle-Biografie wird vorgestellt. Als der Buchverlag beim Vorsitzenden der FDP angefragt hat, ob er damit einverstanden sei, dass ausgerechnet der Sozialdemokrat Steinmeier diese Aufgabe übernimmt, hat der FDP-Chef nur kurz überlegt – und dann zugesagt.

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