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Der neue Chef im Kreis der Familie: Links seine Ehefrau Wiebke, rechts sein Adoptivvater Uwe, bei dem er aufgewachsen ist, nachdem sich seine Adoptiveltern getrennt hatten. Rösler war damals vier Jahre alt.

© AFP

FDP: Philipp Rösler zum neuen Parteichef gewählt

Bundeswirtschaftsminister Philipp Rösler ist zum neuen Vorsitzenden der FDP gewählt worden. Der scheidende FDP-Chef Guido Westerwelle hatte vorher Bilanz gezogen. Und eine wurde abgestraft.

"Jetzt geht's los", sagte Philipp Rösler nachdem er gefragt wurde, ob er die Wahl zum neuen Bundesvorsitzenden der FDP annehmen will. Der 38-Jährige bekam 95,08 Prozent der Stimmen. 22 Delegierte stimmten gegen ihn, zehn enthielten sich. "Ich verspreche Ihnen: Ab jetzt, ab heute geht der Wiederaufstieg der Freien Demokraten endlich los“, versprach er den Delegierten.

Ob für Birgit Homburger der Freitagabend in der FDP nun ein Aufstieg oder Abstieg ist, weiß sie vermutlich selbst nicht so genau. Auf jeden Fall wurde die Ex-Fraktionschefin bei ihrer Wahl zur neuen Vizevorsitzenden mit einem schlechten Ergebnis abgestraft. Nur 66,1 Prozent der Delegierten stimmten für sie. 174 der 662 Stimmberechtigten votierten mit Nein, 46 enthielten sich. Homburger wird in der FDP für das Tief der Partei mit verantwortlich gemacht.

Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger wurde zur zweiten Stellvertreterin Röslers gewählt. 543 Delegierte votierten für die Ministerin, das sind 85,51 Prozent der Stimmen. Das Ergebnis sei für sie "Aufforderung und Ermutigung", sagte Leutheusser-Schnarrenberger. In ihrer Antrittsrede hatte sie erneut das Eintreten für Freiheits- und Bürgerrechte als "Markenkern und unverzichtbaren Teil eines ganzheitlichen Liberalismus" bezeichnet.

Auch der sächsische FDP-Landeschef Holger Zastrow wurde zum stellvertretenden Vorsitzenden gewählt 89,35 Prozent der Delegierten stimmten für den 42-Jährigen.

Hessens FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn wurde bei seiner Wahl ins neue Parteipräsidium von den Delegierten deutlich abgestraft. Der Dauerkritiker von Ex-Parteichef Westerwelle wurde mit lediglich 52,48 Prozent der Stimmen zum Beisitzer gewählt - und verzeichnete damit das schlechteste Ergebnis der neuen Führungsmannschaft.

Generalsekretär Christian Lindner wurde mit großer Mehrheit im Amt bestätigt. Lindner erhielt bei dem Votum in Rostock 513 von 590 Stimmen, das entspricht 86,95 Prozent. 63 Delegierte votierten mit Nein, 13 weitere enthielten sich. Bei seiner ersten Wahl zum Generalsekretär im April vergangenen Jahres hatte Lindner noch 95,6 Prozent bekommen.

Das Augenmerk an diesem Freitag lag aber auf einem anderen: Guido Westerwelle.

Viele schauen zu ihm auf und klatschen. Lange sogar. Über sieben Minuten. Sie applaudieren, als er im Bundestag am Rednerpult zu sehen ist oder im Gespräch mit US-Außenministerin Hillary Clinton. Sie applaudieren dem vergangenen Guido Westerwelle, der auf der Leinwand in einem Filmchen zu sehen ist. Dem, der auf der Bühne steht, die Arme hebt und die Zähne zusammenbeißt, um bloß nicht noch zu heulen, bemerken sie kaum. Es ist der wahre Guido Westerwelle, der Westerwelle der Gegenwart und Zukunft. Der, der am Freitagnachmittag abgewählt wurde und nun "Nur-Noch-Außenminister" in der FDP ist.

Um kurz nach zwölf hält dieser Westerwelle seine letzte Rede als FPD-Chef und dafür kündigt er gleich zu Beginn einige "persönliche Worte" an. Und vor allem viel Dank. Besonders herzlich gingen seine Dankesgrüße an seine Stellvertreter und Weggefährten. Rainer Brüderle, der seinen Posten als Parteivize abgeben wird, bezeichnete er sogar als "treuen persönlichen Freund". Auch dankte er Silvana Koch-Mehrin, die "zurzeit schwere Stunden durchlebt", womit er auf die Plagiatsaffäre der FDP-Europaabgeordneten anspielt. Westerwelle räumt Fehler ein, die er "bedauert" und für die er sich entschuldige. "Aber gestehen sie mir zu, dass ich selbstbewusst sage: Die letzten zehn Jahren sind in der Bilanz positiv, weil wir mehr richtig als falsch gemacht haben", sagte Westerwelle vor den 662 Delegierten.

Ein echter Westerwelle

Und der Ex-Parteivorsitzende liefert seinen Parteifreunden noch einmal einen echten Guido Westerwelle: laut, schrill und mit hoch gerecktem Kinn. Immer wieder schnellt sein Zeigefinger hoch, ballen sich seine Fäuste. Einen kleinen Parforceritt legt er hin - durch die liberalen Themenfelder Bildung, Freiheit, Europa. Er verteidigt die Enthaltung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat zum militärischen Eingreifen in Libyen, die er als Außenminister zu verantworten hat. Viel Grundsätzliches spricht er an. Er fordert "selbstbewusste Bürger und keine Untertanen". Er berichtet von seinem Ausflug auf den Tahrir-Platz in Kairo kurz nach der Revolution und man spürt, dass dieser Besuch als er von vielen Ägyptern umringt wird, die "Es lebe Ägypten, es lebe Deutschland" gerufen hatten, ein besonderer Moment in seinem Außenministerleben sein wird. Auch bringt Westerwelle seine Sorge um Europa und den "Vormarsch der Renationalisierung" zum Ausdruck.

Aber zwei Sachen nimmt Westerwelle nicht in dem Mund: das Wort "Steuersenkung" und "Philipp Rösler". Das eine hat er lange wie ein liberales Mantra vorgetragen und verteidigt, am Ende wurde es ihm zum Verhängnis. Und Rösler, der am Nachmittag noch zu seinem Nachfolger gewählt werden soll, erwähnt er mit keinem Wort. Rösler selbst wird das verkraften, viel wichtiger für ihn wird ein anderer Satz Westerwelles sein, auf den er sich vielleicht irgendwann berufen wird. "Ich werde meinen Nachfolger nicht ins Lenkrad greifen", hat Westerwelle in seiner Rede gesagt.

Westerwelle lässt durchblicken, wie ihm am Ende die Unterstützung gefehlt hat. "Manchmal ist es nicht nur gut, wenn die Partei hinter einem steht, da wünscht man sich, dass sie auch mal vor einem steht", sagt er. Teamgeist fordert er ein. Und dann verabschiedet er sich von Deck - mit einer Referenz an jenen Westerwelle, der noch auf der Leinwand im Hintergrund zu sehen ist. "Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt es einen, der die Sache regelt - und das bin ich...", sagte er zu Beginn seiner Amtszeit. Jetzt fügt er nur noch ein "nicht mehr", hinzu. Dann tritt er ab - und das Nachtreten beginnt. Aussprache heißt es das offiziell.

Und die fällt, verglichen damit, wie hart mit Guido Westerwelle noch am vergangenen Wochenende auf dem Landesparteitag der FDP in Nordrhein-Westfalen abgerechnet wurde, recht verhalten aus. Zwar kritisieren viele Redner das Auftreten der FDP in der Regierung. Mehr Durchsetzungsfähigkeit in der schwarz-gelben Bundesregierung wird angemahnt und ein inhaltlicher Neubeginn gefordert. Aber die ganz große Abrechnung mit Guido Westerwelle ist es nicht. Vielmehr betonen viele Redner die Verdienste von Westerwelle. Einige versuchen das Menschliche an Westerwelle herauszustellen. "Er ist ein feiner Kerl, nur muss er das öfter auch mal zeigen", sagt beispielsweise der liberale Bundestagsabgeordnete Michael Goldmann. Schlechtes Gewissen scheint sich unter den Liberalen breit zu machen - oder Erschöpfung.

Und das ist auch ein wenig an einem anderen Mann abzulesen: Hermann-Otto Solms. Der hält auch seine letzte Rede in seinem FDP-Amt - als Schatzmeister. Mit einer Unterbrechung ist er das seit Ende der 80er Jahre. Er legt noch einmal Rechenschaft ab und appelliert am Ende auch an den Diskussionsstil seiner Partei: „Es ist nicht gut, auf diese Weise öffentliche Personaldiskussionen zu führen“, sagt er. Dann gibt es Applaus, viel Applaus und lange. Und er hört sich ehrlicher an als der Beifall für Guido Westerwelle. Alle stehen auf - anders als bei Westerwelle. Eine zweite Applauswelle brandet auf als die erste abebbt. Es soll wohl auch ein wenig Wiedergutmachung dafür sein, dass er seinen großen Traum, Finanzminister zu werden, nicht verwirklichen konnte - auch weil Westerwelle diesen Traum nicht unterstützt hat. Trotzdem dankt Westerwelle dem Finanzexperten der FDP und überreicht ihm ein Originalbuch von Adam Smith aus dem Jahr 1793.

Brüderle spricht von Glaubwürdigkeitsverlust der FDP

Eröffnet hatte einer der neuen Alten den FDP-Bundesparteitag in Rostock. Rainer Brüderle, zu Beginn der Woche noch Bundeswirtschaftsminister und jetzt FDP-Fraktionschef, hat zum Auftakt des Parteitags einen schlechten Zustand der Liberalen eingeräumt.

„Unsere Partei befindet sich in einer schweren Krise“, sagte Brüderle am Freitag in Rostock. Die FDP habe Wahlen und Glaubwürdigkeit verloren. Vor der Bundestagswahl habe die Partei bei den Bürgern hohe Erwartungen geweckt - „und bisher nicht genügend geliefert“, sagte er vor den 662 Delegierten. „Wir müssen besser werden.“ Brüderle sicherte dem künftigen Parteichef Philipp Rösler Rückendeckung zu. „Die ganze liberale Familie wird dich, Philipp, unterstützen. Darauf kannst du fest zählen.“ Brüderle dankte auch Guido Westerwelle, der zehn Jahre an der FDP-Spitze stand. „Lieber Guido, die Partei hat dir viel zu verdanken.“

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