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FDP-Chef Christian Lindner und Generalsekretärin Nicola Beer stellten das Programm vor.

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Update

FDP-Programm zur Bundestagswahl: Christian Lindner: "Ich will Kanzler machen"

Die FDP kritisiert in ihrem Wahlprogramm eine "Enteignung der Mittelschicht". Sie will die EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei stoppen, Deutschland soll sich Einwanderer selbst aussuchen.

Die FDP will als selbsternannte Mut-Partei in den Bundestagswahlkampf ziehen. Parteichef Christian Lindner stellte gemeinsam mit FDP-Generalsekretärin Nicola Beer am Freitagmorgen das Parteiprogramm in der Parteizentrale in Berlin vor. Die Liberalen finden, wie es gleich zu Beginn des Wahlprogramms heißt, dass „der Rechtsstaat und die Weltoffenheit unseres Landes wanken“, sie sehen aber gleichzeitig „ein Land voller Kraft und Gestaltungswillen und voller brachliegender Potenziale“. Lindner gibt sich selbstbewusst und sagte: "Ich will nicht Kanzler werden, aber Kanzler machen", sagte er am Freitagmorgen. Zu seinem Gemütszustand befragt, antworte er. "Ich fühle mich wie ein Rennpferd in der Box."

Nicola Beer betonte, dass das Programm in zahlreichen Konferenzen mit der Basis entstanden sei, so dass jeder genau wisse, wofür die Partei stehe. Beer: "Da muss niemand abwarten, dass die Parteispitze turnt. Die Basis weiß, was zu tun ist."

Anders, als noch im Wahlkampf zur Bundestagswahl 2009, als die FDP auf 14,6 Prozent der Stimmen kam und mit der CDU/CSU die Regierungskoalition bildete, soll es diesmal keinen Wahlkampf mit großen Versprechen für Steuererleichterungen geben. Dennoch spricht die Partei in ihrem Programm von der "Enteignung der Mittelschicht und der kleineren Einkommen", weil die Politik mit hohen Steuern in Zeiten niedriger Zinsen "einen Keil" zwischen Bürgern und Staat treibe.

Deshalb fordert die FDP ein "grundlegendes Umdenken in der Steuerpolitik". Von Wachstums- und Wohlstandsgewinnen dürfe nicht allein der Staat profitieren. So plädiert die Partei für zahlreiche Detailveränderungen. So soll etwa die Einkommensteuer "fairer" werden, es soll eine Belastungsgrenze für Steuern und Sozialabgaben im Grundgesetz festgeschrieben werden, die kalte Progression soll abgeschafft und bei der Grunderwerbsteuer ein Freibetrag von bis zu 500 000 Euro eingeführt werden.

Die Steuerpolitik steht allerdings nicht im Vordergrund des Wahlprogramms, sondern findet sich relativ weit hinten auf den 81 Seiten. Stattdessen betonen die Liberalen die Themen Bildung und Digitalisierung und wollen ein Digitalministerium ins nächste Kabinett einführen. Es heißt im Programm etwa: "Weltbeste Bildung für jeden ist ein Mondfahrtprojekt." So wie John F. Kennedy sein Land mit einer gewaltigen Kraftanstrengung auf den Mond führte, solle Deutschland von der FDP an die Spitze der Bildungsnationen dieser Welt geführt werden.

Die Liberalen betonen die Themen Bildung und Digitalisierung

Eine der Ideen lautet: In den nächsten fünf Jahren sollen pro Schüler zusätzlich insgesamt 1000 Euro für Technik und Modernisierung investiert werden. Wörtlich heißt es: "Neue Technologien und Methoden bieten Raum für Kreativität und Neugier und werden immer wichtiger für spätere Berufe. Um diese Chancen zu nutzen, brauchen Kinder Anleitung in Schulen mit entsprechender Ausstattung. Die technische Aufrüstung unserer Schulen erfordert eine finanzielle Kraftanstrengung. Deshalb streben wir Freie Demokraten einen Staatsvertrag zwischen Bund und Ländern an: Hier soll der Ausbau der digitalen Infrastruktur geregelt werden." Lindner wörtlich: "Am Zustand der Schulen wollen wir in Zukunft wieder ablesen wollen, wie wichtig Bildung in diesem Land genommen wird." Die Liberalen plädieren an dieser Stelle

Zudem wollen die Liberalen Schüler, Auszubildende und Studierende elternunabhängig fördern. Diese Förderung besteht aus einem Zuschuss in Höhe von 300 Euro sowie einem Darlehensangebot. Die Refinanzierung des Zuschusses erfolgt über die Verlagerung von Steuervergünstigungen der Eltern hin zu den Schülern, Azubis und Studierenden.

Die FDP will sich als Partei der kleinen Leute profilieren. Glaubt Lindner wirklich, man hätte die unselige Wirkung der FDP-Politiker in deren letzten Jahren der Beteiligung an Regierungen vergessen? Da mag die Hotelsteuer nur als Symbol dafür herhalten.

schreibt NutzerIn Oyama

Lebenslanges Lernen ist ein Grundmotiv im Wahlprogramm und soll für alle gelten und ein Ansporn sein. Dahinter steckt aber auch das Prinzip des Förderns und Forderns. Die Liberalen formulieren es so: "Wir brauchen das Versprechen an alle Bürgerinnen und Bürger, beim digitalen Wandel auch mithalten zu können. Deshalb muss lebenslanges Lernen noch stärker vom Schlagwort zur gelebten Realität werden." Man wolle jeden befähigen, "immer wieder einzusteigen". Wer erwerbsfähig ist und die Teilhabe an Arbeit verloren hat, sollte nicht dauerhaft alimentiert werden, sondern Hilfe zu einer erneuten Chance auf Teilhabe erhalten.

Ziel müsse es immer sein, schnellstmöglich wieder den Einstieg in einen Job zu finden. Im Programm steht: "Und wenn es aufgrund der persönlichen Situation sinnvoll ist, die Arbeitslosigkeit als Gelegenheit zur besseren Qualifikation zu nutzen, ist das richtig – und heute mit dem Arbeitslosengeld Weiterbildung auch schon vollständig möglich. Eine Verlängerung von Transferzahlungen ist hingegen kontraproduktiv." Zudem will die FDP die Aufstocker in Hartz IV besser stellen und mehr Hinzuverdienstmöglichkeiten erlauben. Das soll auch für Rentner gelten, die FDP will "allen Älteren einen flexiblen Übergang in den Ruhestand ermöglichen. Dazu wollen wir ein politisch festgelegtes Renteneintrittsalter und die Hinzuverdienstgrenzen abschaffen. Ob 63, 67 oder sogar 70 – starre Altersgrenzen für den Renteneintritt werden den verschiedenen Lebensentwürfen längst nicht mehr gerecht", heißt es.

Auch ein harter Kurs gegen Russland wird gefordert

In ihrem Programm tritt die FDP für ein „geordnetes Einwanderungsrecht“ ein, das nach Möglichkeit in einem Einwanderungsgesetzbuch zusammengefasst werden soll. "Dabei muss zwischen individuell politisch Verfolgten, Kriegsflüchtlingen und dauerhaften Einwanderern klar unterschieden werden." Das Grundrecht auf Asyl für individuell politisch Verfolgte will die Partei nicht antasten. "Für Kriegsflüchtlinge wollen wir einen eigenen Status schaffen, einen nationalen vorübergehenden humanitären Schutz, der auf die Dauer des Krieges begrenzt ist. Nach Identitätsfeststellung soll dieser Status unkompliziert verliehen und damit das Asylsystem massiv entlastet werden. Kriegsflüchtlinge sollen dabei nach Beendigung des Krieges in der Regel in ihr Heimatland zurückkehren." Dauerhafte Einwanderer solle sich Deutschland "wie jedes andere Einwanderungsland selbst aussuchen". Die Flüchtlingsfrage will die FDP in enger Kooperation mit europäischen Nachbarregionen lösen.

Außenpolitisch fordert die FDP einen Stopp der EU-Beitrittsverhandlungen mit der Türkei, einen harten Kurs gegenüber Russland und warnt vor einem Antiamerikanismus nach der Wahl Donald Trumps zum US-Präsidenten. Allerdings leitet die FDP daraus auch ab: "Angesichts der Möglichkeit, dass die USA eine weniger aktive globale Rolle spielen könnten, ist die Stärkung der Europäischen Union unabdingbar. Dafür muss die EU mehr denn je ihre Differenzen überwinden, auf Grundlage ihrer gemeinsamen Werte außenpolitische Prioritäten setzen und die eigene sicherheitspolitische Handlungsfähigkeit stärken."

Aufbruch. Hätten die Liberalen sehr gern. Vielleicht hilft das Wahlprogramm.
Aufbruch. Hätten die Liberalen sehr gern. Vielleicht hilft das Wahlprogramm.

© Patrick Pleul/dpa

Zudem fordert die Partei "institutionelle Reformen für mehr Transparenz und Effizienz in der EU". Das Europäische Parlament solle nach einem einheitlichen Wahlrecht mit staatenübergreifenden Listen und Spitzenkandidaten gewählt werden. Es müsse zu einem Vollparlament mit Initiativrecht aufgewertet werden, das nur einen Sitz in Brüssel habe. Die EU-Kommission soll verkleinert werden. Es muss zu einem Vollparlament mit Initiativrecht aufgewertet werden. "Ein Sitz in Brüssel ist dabei ausreichend."

Zu Koalitionen äußerte sich Lindner auf Nachfrage nicht, die FDP wolle ihr eigenes Programm durchbringen. Er sagte wörtlich: "Wir haben keine natürlichen Verbündeten bei anderen Parteien." Kanzlerin Merkel und SPD-Herausforderer Martin Schulz seien beide über 60 Jahre, dementsprechend sei ihre Perspektive auf das Land. Lindner: "Ich bin unter 40, dementsprechend schaue ich vielleicht mutiger, zuversichtlicher auf Innovation und Technik." Vor dem letzten Parteitag vor der Bundestagswahl wolle man aber einen "Zehnpunkte-Katalog" vorlegen, daraus werde dann klarer werden, mit wem man sich eine Zusammenarbeit vorstellen könnte.

Die FDP ist 2013 aus dem Bundestag geflogen, für den damaligen Parteichef Philipp Rösler kam Christian Lindner, der bis 2011 Generalsekretär der Bundespartei war. Lindner hatte danach trotz der Krise der Bundespartei die FDP in NRW im Landtag gehalten und das Ergebnis bei den Landtagswahlen sogar steigern können. Lindner geht nun jeweils als Spitzenkandidat in die kommende Landtagswahl im Mai in Nordrhein-Westfalen wie auch in die Bundestagswahl im September. Zwar hat die Partei bei der letzten Wahl im Saarland den Sprung zurück in den Landtag nicht schaffen können, zuvor aber gingen sehr viele Landtagswahlen gut für die FDP aus, in Rheinland-Pfalz regiert man sogar in einer rot-grün-gelben Koalition unter Ministerpräsidentin Malu Dreyer. Zurzeit steht die FDP in Umfragen zwischen fünf und sieben Prozent.

Volker Wissing (FDP, Wirtschaftsminister) lacht mit Malu Dreyer (SPD, Ministerpräsidentin). Rheinland-Pfalz ist das einzige Bundesland, in dem die FDP zurzeit mitregiert.
Volker Wissing (FDP, Wirtschaftsminister) lacht mit Malu Dreyer (SPD, Ministerpräsidentin). Rheinland-Pfalz ist das einzige Bundesland, in dem die FDP zurzeit mitregiert.

© Andreas Arnold/dpa

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