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© dpa-Zentralbild

FDP: Villa und Plattenbau

Landeschef Holger Zastrow will die FDP zur Volkspartei machen – nicht nur in Sachsen.

Berlin - Nun hat der Ernst des politischen Lebens für ihn begonnen. Holger Zastrow, 40 Jahre jung, PR-Unternehmer aus Dresden und FDP-Fraktionschef im sächsischen Landtag, handelt mit der CDU seit Anfang der vergangenen Woche einen Koalitionsvertrag aus. Eine andere Herausforderung als flotte Wahlkampfslogans erfinden und Oppositionsreden halten. Jetzt geht’s ans Regieren. Und da haben die Verhandlungspartner, Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich und CDU-Fraktionschef Steffen Flath, dem FDP-Mann einiges voraus. So könnte es für den Liberalen ein Vorteil sein, dass man für die Zeit der Gespräche Stillschweigen vereinbart hat.

Immerhin weiß der sächsische FDP-Chef, dass die CDU die Verhandlungen nicht platzen lassen wird. Man ist Wunschpartner. Und man hat sich seit Wochen darauf vorbereitet. Aber Koalitionsgespräche dienen der Kräfteverteilung für mehrere Jahre. Und die bestimmen im Wesentlichen die Großen. Daher geht es der FDP vor allem darum, zwei oder drei symbolische Siege zu landen und vorzeigbare Kabinettsposten zu bekommen – Wirtschaftsressort inklusive. Zastrow pocht vor allem darauf, dass sich beim Thema Bildung etwas bewegen muss: Längeres gemeinsames Lernen der Kinder ist eine FDP-Kernforderung in Sachsen, mit der sich die CDU schwer tut. Andererseits will die FDP die Eingangshürde beim Gymnasium erhöhen. Das Leistungsprinzip soll hier mehr Geltung bekommen.

In der Union heißt es oft, Zastrow schieße gern mal übers Ziel hinaus. Kurz vor der Wahl forderte der FDP-Chef zum Beispiel ein sächsisches Nationalmuseum – im Japanischen Palais in Dresden. Sächsische Nation? Nun ja, ein Haus für Landesgeschichte steht zum Beispiel auch in Stuttgart. Und hat es nicht gerade die CDU ganz besonders mit dem Eigentümlichen? Ist Tillich nicht landauf, landab als „der Sachse“ plakatiert worden? Da wirkt doch Zastrows Vorschlag wie ein ironischer Schlenker mit Blick auf den künftigen Koalitionspartner. Die FDP hat sich auch den Spaß gemacht, den CDU-Slogan „sachsenstark“ in „stark für Sachsen“ zu verwandeln und selber damit zu werben.

Das lockere Kopieren der regionalen CDU-Erfolgsformel ist durchaus Programm. Zastrow träumt davon, die Liberalen an die 20 Prozent heranzuführen. Die Hälfte des Weges hat er geschafft, der bodenständig wirkende Dresdner brachte die – nach dem Ausscheiden aus dem Landtag 1994 völlig darniederliegende – FDP von 1,1 Prozent bei der Wahl 1999 auf jetzt zehn Prozent. Was mit dem Bundestrend allein nicht zu erklären ist.

Um dem Anspruch zu genügen, breiter aufgestellt zu sein, will man nicht nur Interessen von Freiberuflern und Arbeitgeberverbänden vertreten. Daher die Betonung der Bildungspolitik, bei der man auf Landesebene einiges bewegen kann. Daher auch der Slogan „Herz statt Hartz“, der Sozialgefühl zeigen sollte. Zastrow verweist auch auf die kommunale Verankerung: 30 FDP-Bürgermeister zum Beispiel, mehr als SPD, Grüne und Linke zusammen. Mit den Sozialdemokraten hat die FDP in Sachsen am Wahlsonntag schon fast gleichgezogen, für Zastrow ein „historisches Ereignis“. Nimmt man die Erststimmen für die Wahlkreiskandidaten, liegen die Liberalen sogar mit 12,3 Prozent vor der SPD (11,6 Prozent).

Aber „Villa und Platte“ zu vereinen, wie Zastrow es postuliert, ist dann doch nur ein Spruch. Der berufliche Zuschnitt der neuen Fraktion zum Beispiel wirkt auch nicht anders als in anderen Landtagen: zwei aus der PR-Branche, einige Unternehmer, darunter ein Spielzeugfabrikant, ein Arzt, ein Rechtsanwalt, ein Mittelstandsberater mit Honorarprofessur. Zudem ist die Sachsen-FDP ein Männerverein. Nur drei der 14 Fraktionsmitglieder sind weiblich, nur sieben Frauen standen auf der Landesliste mit 54 Kandidaten.

Immerhin steht Zastrow dafür, dass Landtagsabgeordnete, so sie keine Regierungsfunktionen haben, nicht unbedingt Berufspolitiker sein müssen. Er würde am liebsten das Teilzeitparlament einführen, wird damit aber an den anderen Parteien scheitern. Wie schon in der abgelaufenen Wahlperiode mit dem Versuch, die Abgeordnetendiäten zu senken. Die FDP-Abgeordneten spendeten die Erhöhung, die der Landtag beschloss, für gute Zwecke.

Und wer sitzt für die FDP dann am Kabinettstisch? Zastrow verweist auf seine Fraktion, will aber Kandidaten von außerhalb oder Parteilose nicht ausschließen.

Ob er selbst ein Ministeramt übernimmt, lässt er offen. Die Werbeagentur, die er sich nach dem BWL-Studium in Dresden aufgebaut hat und die mittlerweile 1,3 Millionen Euro im Jahr umsetzt, ist ihm da möglicherweise für die Zukunft wichtiger. Fraktionschef genügt – der Einfluss auf die Regierungspolitik ist in dem Amt auch nicht gering.

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