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Politik: Fehler vom Amt

Für die Kommunikationspanne am NRW-Wahlabend machen auch SPD-Leute Schröder verantwortlich

Berlin Konnten sie nicht oder wollten sie nicht? Die Tatsache, dass Bundespräsident Horst Köhler aus dem Fernsehen erfahren hat, dass der Bundeskanzler Neuwahlen anstrebt, wirft diese Frage an die Bundesregierung auf – und die tut sich erkennbar schwer mit Antworten. Ihr Sprecher Thomas Steg stellt den Ablauf am Tag und Abend der NRW-Wahl so dar: Das Kanzleramt habe versucht, Köhler zu erreichen; dies sei aber erst über die Kontaktaufnahme zu einer dritten Person gelungen.

Wer dieser dritte Mann war, sagt Steg nicht. Ebenso vermeidet er präzise Zeitangaben. Nach Tagesspiegel-Informationen handelt es sich um den Chef des Bundespräsidialamtes Michael Jansen. Ihn hatte Kanzleramtschef Frank-Walter Steinmeier nach Angaben aus Regierungskreisen gegen 18 Uhr 50 kontaktiert. Zuvor hatte es über das Lagezentrum des Kanzleramts einen Versuch gegeben, den Bundespräsidenten zu erreichen – und zwar gegen 18 Uhr 30, also etwa zeitgleich mit der öffentlichen Verkündigung der Neuwahl-Entscheidung durch SPD-Chef Franz Müntefering im Willy-Brandt-Haus. Das Gespräch zwischen Schröder und Köhler kam schließlich gegen 19 Uhr 30 zu Stande. Danach erklärte der Kanzler der Presse seine Absicht, die Neuwahlen durch eine Vertrauensfrage herbeizuführen.

Das alles ist für die Bundesregierung von Bedeutung, weil sie sich wegen ihrer Informationspolitik dem Vorwurf ausgesetzt sieht, ihr mangele es am Respekt vor dem höchsten Verfassungsorgan. Auch stehen Spekulationen im Raum, Gerhard Schröder habe Köhler bewusst nicht früher informiert, weil er befürchtete, der Präsident werde seinerseits CDU-Chefin Angela Merkel in Kenntnis setzen und damit den erhofften Überraschungseffekt der Operation gefährden.

Die Regierung widerspricht diesem Eindruck entschieden. Das Verhältnis zwischen Kanzler und Präsident sei frei von Misstrauen und geprägt von „gegenseitigem Respekt und der Achtung sowohl vor der jeweiligen Person als auch vor dem jeweiligen Amt“, versichert Steg.

Für den Bundeskanzler mag das gelten, in seiner Partei aber sitzt das Misstrauen tief. Etliche Sozialdemokraten sehen in Köhler den Wegbereiter einer konservativen Wende. SPD-Fraktionsvize Michael Müller bekennt sich offen zu diesem Misstrauen. „Bisweilen erweckt Köhler den Eindruck, er würde mehr Parteipolitik betreiben, als dies dem Amte zuträglich ist.“ Einen Zusammenhang zur Vorgehensweise der Regierung am Wahlabend gebe es aber nicht, glaubt Müller: „Das war nicht beabsichtigt.“

Ein anderes Mitglied des SPD-Fraktionsvorstands wertet das Vorgehen der Regierung dagegen als „nicht entschuldbar“: „So geht das Verfassungsorgan Bundeskanzler nicht mit dem Verfassungsorgan Bundespräsident um.“ Es sei deshalb bemerkenswert, wie zurückhaltend Köhler auf den Affront reagiert habe. Und noch etwas sagt der langjährige Bundestagsabgeordnete: „Die Verantwortung trägt ausschließlich und allein Schröder.“

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