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Politik: Feindbilder: Woher kommen die Vorurteile zwischen Deutschen und Polen?

Jerzy Wójciks Sohn ist sieben Jahre alt. Der Junge hat Angst vor den Deutschen.

Jerzy Wójciks Sohn ist sieben Jahre alt. Der Junge hat Angst vor den Deutschen. Das kommt vom polnischen Fernsehen. Es zeigte eine alte Serie über den heldenhaften Kampf russischer, georgischer und polnischer Soldaten gegen die deutsche Besetzung im Zweiten Weltkrieg. Die Deutschen kamen in dem Film nicht gut weg. Als sein Vater, Redakteur bei der "Gazeta Wyborcza", die Quelle der Furcht seines Kindes erkannte, erklärte er ihm den Unterschied zwischen Film und Wirklichkeit, zwischen damals und heute. So einfach entstehen Vorurteile, so einfach ist es manchmal auch, sie auszuräumen.

Manchmal. Zwischen Polen und Deutschen gibt es Vorbehalte, deren Wurzeln Jahrhunderte zurückreichen. Andere sind ganz jungen Datums und haften dennoch tief. Alle aber behindern das Zusammenwachsen zweier Regionen an einer Nahtstelle Europas, die Jahrzehnte lang Trennungslinie war. Aus dieser Zeit ist eines geblieben: Die Menschen diesseits und jenseits der Grenze wissen nicht viel voneinander. Die Fremdheit aber ist der Ursprung des gegenseitigen Misstrauens. Wie man Misstrauen sät, hat Brandenburgs heutiger Ministerpräsident Manfred Stolpe am Beispiel der SED in der DDR-Zeit selbst erlebt. Um die Bevölkerung gegen den polnischen Bazillus der Freiheitsbewegung "Solidarnosc" von Lech Walesa zu immunisieren, beschwor die Partei das Bild des faulen Polen und der maroden polnischen Wirtschaft. Stolpe lud jetzt, eine überaus verdienstvolle Initiative, polnische und deutsche Kommunalpolitiker und Journalisten nach Frankfurt an der Oder zu einem Gespräch in die Europa-Universität Viadrina. Was können Politik und Medien zum Abbau der Vorurteile und zur Vermittlung eines objektiven Bildes vom Nachbarn beitragen, wollte nicht nur er, dass wollten auch seine Gäste wissen.

Der mit Deutschland bestens vertraute polnische Publizist Adam Krzemi¿nski wies auf den grundlegenden Unterschied zwischen beiden Ländern hin: Für Polen sei Deutschland schon alleine durch seine Größe immer ein die Geschichte bestimmender Faktor gewesen ("Seit 1000 Jahren musste man immer wieder gegen Deutschland kämpfen") - umgekehrt sei Polen für Deutschland stets eher marginal gewesen. Die Unterstellung eines quasi automatischen Gegensatzes hält er dennoch für sträflich: Es gebe auch eine über 1000-jährige Symbiose, eine fruchtbare, multikulturelle Gemeinsamkeit. Dass die heute verschüttet ist, hängt stark auch mit der Ausrottung der jüdischen Intelligenz in beiden Ländern zusammen. Klaus Ziemer, Direktor des Deutschen Historischen Institutes in Warschau, sieht einen weiteren Grund: Schon die Weimarer Republik habe Polen abgelehnt, die Nazis hätten nur noch ein bereits vorhandenes Feindbild abrufen müssen.

Die Demontage solcher Feindbilder muss, das klang immer wieder an, gerade in der Grenzregion in den Kindergärten und in den Schulen beginnen. Das Erlernen der Sprache des Nachbarn gehört dazu. Dass Vorurteile beidseits oft noch früher, in den Elternhäusern, gelegt werden, blieb unerwähnt. Und die Medien? Adam Krzemi¿nski wünscht sich im Kopf der Journalisten so etwas wie ein Übersetzungsmodul, das das andere Land für Leser, Hörer und Zuschauer verstehbar mache.

Ängste gibt es auf beiden Seiten. Aber gerade vor dem Gespräch darüber, so stellt Gastgeber Stolpe fest, dürfe man eben keine Angst haben. Also wird es fortgesetzt werden. Das nächste Mal, hoffentlich bald, dann wohl auf der polnischen Seite.

Gerd Appenzeller

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