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Thaci

© AFP

Festgesetzte BND-Mitarbeiter: Liebesgrüße aus Pristina

Drei Mitarbeiter des BND sitzen im Kosovo in Haft – Sicherheitsexperten sehen sie als Faustpfand für die Regierung in Pristina, um eigene Interessen durchzusetzen.

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Berlin - Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser. Mit diesem Satz lässt sich wohl am einfachsten erklären, warum Geheimdienste in befreundeten Staaten agieren. Auch Deutschland und das erst seit Februar unabhängige Kosovo sind enge Partner. Die Bundesrepublik gehört zu den wichtigsten Unterstützern des neuen Balkanstaates – politisch und finanziell. 100 Millionen Euro Aufbauhilfe hat Berlin allein für die beiden kommenden Jahre zugesagt. Doch das Kosovo ist kein einfacher Freund. Es gibt Hinweise, dass hohe Regierungsmitglieder Kontakte zum organisierten Verbrechen unterhalten. Dies berichtet auch der BND – was den Verantwortlichen in Pristina freilich missfällt.

Für kundige Beobachter ist es daher keine Überraschung, dass nun drei Mitarbeiter des BND im Kosovo verhaftet worden sind. Ihnen wird vorgeworfen, am 14. November einen Sprengstoff anschlag auf das EU-Hauptquartier in Pristina verübt zu haben. Der stellvertretende Regierungssprecher Thomas Steg sagte dazu, es sei „absurd“, anzunehmen, die Bundesregierung sei in terroristische Anschläge im Ausland verwickelt. Sicherheitsexperten halten das Vorgehen der kosovarischen Behörden für einen gezielten Affront, der den deutschen Nachrichtendienst und die Bundesregierung treffen soll. Die Regierung in Pristina sei genervt von den Recherchen des BND und anderer Nachrichtendienste und den dann folgenden Vorwürfe aus der Nato. Die drei Nachrichtendienstler waren im Kosovo verdeckt tätig. Berichte, wonach sie sich als Mitarbeiter einer in Pristina ansässigen BND-Tarnfirma namens „Logistic Coordination Assessment Service“ ausgegeben hätten, wollten deutsche Sicherheitskreise nicht kommentieren.

Dass die Inhaftierung der BND-Männer eine Revanche sei, lege schon der Ablauf der Ereignisse nahe, sagen Experten. Demnach hat ein BND-Mitarbeiter am 14. November, etwa vier Stunden nach dem Anschlag auf das EU-Gebäude, von einem benachbarten Rohbau aus den Tatort fotografiert. Der von Experten als erfahrener Nachrichtendienstler mit reichlich Kosovoerfahrung beschriebene Mann habe im Rahmen der Recherchen zu Aktivitäten gegen die europäische Rechtsstaatsmission Eulex gehandelt. Auf dem Rückweg sei der BND-Mann von örtlichen Sicherheitskräften angehalten worden, berichten deutsche Experten. Man habe ihn gebeten, sich am nächsten Tag bei den kosovarischen Behörden zu melden. Das sei geschehen, der Fall schien damit erledigt zu sein. Der Deutsche habe sich nicht als BND-Mitarbeiter zu erkennen gegeben. Am 19. November seien er und die beiden Kollegen plötzlich festgenommen worden. Danach hätten sich die drei als Angehörige des Nachrichtendienstes ausgewiesen. Auch die BND-Zentrale hat nach Informationen des Tagesspiegels die Kosovaren aufgeklärt. Gleichzeitig wurde versucht, die Geschichte geräuschlos zu beenden. Doch dann sei in Pristina „der Schalter umgelegt worden“, sagen Experten.

Den drei Deutschen wurden weitere Angriffe, etwa auf die Mission der OSZE im Kosovo und auf das Parlament des Landes zur Last gelegt. Ein Richter verhängte am vergangenen Wochenende 30 Tage Untersuchungshaft wegen des Verdachts auf Terrorismus, Gefährdung der öffentlichen Ordnung und illegalen Waffenbesitzes. Die „Süddeutsche Zeitung“ berichtet, nach Angaben aus kosovarischen Regierungskreisen sei die Polizei im Besitz von Videoaufnahmen, auf denen zu erkennen sei, wie einer der Männer am 14. November den Sprengstoff über die Umfassungsmauer des Gebäudes werfe. Deutsche Sicherheitsbehörden kennen dem Bericht zufolge zwar ein solches Videoband. Darauf seien aber keine Gesichter zu sehen.

Experten glauben, Mitglieder der kosovarischen Regierung sähen die drei Deutschen als Faustpfand, um Forderungen an die Bundesrepublik, EU und Nato durchzusetzen. Die Kosovaren wollten ein Ende der westlichen Recherchen zur organisierten Kriminalität – und die Erlaubnis, einen eigenen Nachrichtendienst aufziehen zu können. Entsprechend selbstbewusst erklärte Premier Hashim Thaci, die Deutschen bekämen keine Sonderbehandlung. „Vor dem Gesetz sind alle gleich, niemand steht über dem Gesetz, unabhängig von seinem nationalen Hintergrund.“

Die Opposition in Deutschland pocht auf Aufklärung. Max Stadler (FDP) stellte den Antrag für eine Sondersitzung des Parlamentarischen Kontrollgremiums. „Die Anschuldigungen sind so ungeheuerlich und aus meiner Sicht auch erst einmal so unglaubwürdig, dass die Bundesregierung gut beraten ist, ihre sonst in solchen Fällen übliche Diskretion aufzugeben.“

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