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Finanzen: Schäuble: Merkel und Pofalla sollen nicht alles an sich ziehen

Finanzminister Schäuble warnt davor, von einer möglichen Erhöhung der Mehrwertsteuer zu viel zu erwarten. Zugleich mahnte er Schwarz-Gelb, "etwas ruhiger" zu werden und kritisierte Kanzlerin und Kanzleramtschef.

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Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat die Koalition davor gewarnt, sich von einer Überprüfung der Mehrwertsteuersätze deutliche Mehreinnahmen für den Staat zu versprechen. „Wir sollten nicht zu viel davon erwarten“, sagte Schäuble im Interview, das in der gedruckten Sonntagausgabe des Tagesspiegel erscheint. „Wenn wir alle Mehrwertsteuersätze auf die vollen 19 Prozent anheben würden, ergäbe das etwa 23 Milliarden Euro“, doch allein 17 Milliarden Euro entfielen auf den ermäßigten Satz für Nahrungsmittel. „Wer will denn dessen Streichung vorschlagen?“, fragte der Minister. Schäuble bekräftigte erneut, „dass es derzeit keine Steuersenkungen geben kann“. Zugleich mahnte er die Koalitionspartner, „etwas ruhiger“ zu werden und Erfolge nicht zu „zerreden“. Angesichts des schlechten Erscheinungsbilds der schwarz-gelben Bundesregierung gab Schäuble Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihrem Kanzleramtschef Ronald Pofalla (beide CDU) den Rat: „Lasst euch nicht zu viele Einzelheiten hinschieben, und zieht nicht zu viel an euch.“ Man solle aber auch nicht „alles und jedes auf die Kanzlerin abschieben“, mahnte Schäuble die Koalitionspartner.

Der Finanzminister kündigte an, die Koalition werde im Herbst „in aller Ruhe“ die Mehrwertsteuersätze überprüfen. Offen ließ er, ob der ermäßigte Steuersatz für Hotelübernachtungen wieder angehoben werden soll. Er habe allen Befürwortern dieser Steuerermäßigung damals gesagt, es gebe zwar gute Gründe dafür, aber es sei nicht vermittelbar. FDP-Generalsekretär Christian Lindner hatte vor kurzem eingeräumt, dass das Vorgehen bei der Hotelbesteuerung falsch gewesen sei. In den Koalitionsverhandlungen hatten FDP und CSU auf der umstrittenen Entlastung bestanden.

Der CSU-Vorsitzende Horst Seehofer verteidigte am Samstag die von der Koalition geplante Anhebung der Krankenkassenbeiträge. Im Gegensatz zu früheren Reformen werde „weder der Leistungskatalog für die Patienten eingeschränkt noch deren Zuzahlungen erhöht“, sagte Seehofer der „Bild am Sonntag“. Die Spitzen der Koalition hatten sich am Freitag im Grundsatz darauf verständigt, dass 2011 der Beitrag von derzeit 14,9 auf 15,5 Prozent steigen soll.

Zudem sollen die Zusatzbeiträge ausgeweitet werden. Dabei wird geprüft, die Deckelung von derzeit maximal einem Prozent des Einkommens zu verdoppeln. Das würde bedeuten, dass die Kassen je nach Einkommen der Versicherten bis zu 75 Euro im Monat statt bislang 37,50 Euro erheben könnten. Der Betrag, den die Kassen ohne Einkommensprüfung verlangen können, wird möglicherweise von derzeit acht auf 16 Euro steigen. Endgültig will die Koalition am Dienstag über die Gesundheitsreform entscheiden. Der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn erklärte im WDR, die bisherige Deckelung der Zusatzbeiträge sei nicht mehr zu halten. Allerdings solle es einen Sozialausgleich über Steuermittel geben.

SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier beklagte die „Erosion“ von Schwarz-Gelb. Das Misstrauen, das bei der Präsidentenwahl zwischen CDU, CSU und FDP zutage getreten sei, sitze tief, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“. Schäuble bestritt mit Blick auf die Abweichler aus dem schwarz-gelben Lager, dass es sich bei der Bundespräsidentenwahl um einen Putschversuch gehandelt habe. „Wäre es organisiert gewesen, hätte das jemand merken müssen.“ Am Mittwoch hatte der Kandidat von CDU, CSU und FDP, Christian Wulff, trotz der Mehrheit der drei Parteien erst im dritten Wahlgang die notwendige Mehrheit erhalten. Das Ergebnis reflektiere „die Volatilität von Stimmungen“, aber auch das „allgemeine Unbehagen“ in der Koalition, sagte Schäuble. „Es ging vielen nicht um Joachim Gauck, den wir alle schätzen, oder um Christian Wulff, sondern um Angela Merkel.“

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