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Finanzkrise: ''Ein Tsunami von Bankrotten''

Auch Deutschlands östliches Nachbarland ist von der Krise betroffen – auch wegen der engen Verflechtung mit Deutschland.

Polens Zentralbankchef machte bis zuletzt auf Optimismus. Die weltweite Finanzkrise werde dem Land kaum etwas anhaben, erklärte Slawomir Skrzypek auch noch, als der Index der Warschauer Börse vor einigen Tagen längst in den freien Fall übergegangen war. Seine Hauptargumente: die polnischen Banken hätten sich kaum an hochspekulativen Geschäften beteiligt, die vor allem den Instituten in den USA zum Verhängnis wurden. Zudem kann Polen seit Jahren ein stabiles Wirtschaftswachstum von rund sechs Prozent vorweisen, das vor allem auf der hohen Binnennachfrage basiert.

Dies ist zwar eine gute Basis, doch hatte der polnische Zentralbankchef die Wucht des Krise unterschätzt und nicht bedacht, wie hoch die Abhängigkeit der polnischen Wirtschaft von seinen Nachbarn ist. Die Einwohner von Posen (Poznan) und Gleiwitz (Gliwice) haben das schnell am eigenen Leib zu spüren bekommen. Die großen Autowerke von Volkswagen und Opel drosselten wegen sinkender Nachfrage im Westen ihre Produktion im Osten. Inzwischen geht in den beiden Städten die Angst um, dass bei anhaltenden Absatzproblemen die Werke ganz geschlossen werden könnten.

Doch auch die Banken, von Chefökonom Skrzypek wegen ihrer Vorsicht zu Recht gelobt, gerieten in schwere See. Das Problem ist ein grundsätzliches. Über 70 Prozent der polnischen Banken befinden sich in ausländischer Hand.. Aufgrund der Krise ziehen aber die Muttergesellschaften das Geld aus dem Osten ab. Das wiederum hat direkte Folgen für die Verbraucher. Zum einen zögern die Institute, Kredite zu vergeben. Das trifft vor allem Unternehmer, die ihre Aufträge in der Regel durch geliehenes Geld vorfinanzieren müssen. In den Augen der Beratungsfirma Ernst & Young ist diese Zurückhaltung „ein enormes Risiko“ für die polnische Volkswirtschaft insgesamt. Und Zbigniew Bachman, Direktor der Polnischen Industrie- und Handelskammer für Bauwesen, befürchtet in den nächsten Monaten bei kleinen Firmen, die nicht von EU-finanzierten Großaufträgen profitieren, „einen Tsunami von Bankrotten“.

Doch auch Privathaushalte haben zu kämpfen. Der Konsum in Polen ist in vielen Fällen durch Kredite finanziert, die nun nicht mehr einfach zu bekommen sind. Aus diesem Grund ist der Immobilienmarkt bereits dramatisch eingebrochen. Auch halten manche Banken Kreditzusagen nicht ein und fordern von den Kreditnehmern eine drastische Erhöhung ihrer Eigenkapitaleinlagen.

Auch haben sich viele Konsumenten, etwa zum Bau eines Hauses, in Fremdwährungen wie dem Schweizer Franken hoch verschuldet. Noch vor wenigen Monaten war das eine gute Idee, denn der Zloty war stark und die Zinsen im Ausland niedrig. Im Zuge der Finanzkrise hat der Zloty jedoch fast 30 Prozent an Wert verloren und die Schuldner müssen ihre Kredite in den aufgewerteten Währungen bedienen.

Einen Gewinner in der Krise könnte es geben: den Euro. Auf dem Hintergrund der Turbulenzen glauben immer mehr Polen, dass die Gemeinschaftswährung ihnen mehr Sicherheit für die Zukunft bieten kann. Premierminister Donald Tusk war jüngst noch verspottet worden, als er die schnelle Einführung des Euro ankündigte. Heute stellen sich die Skeptiker an die Spitze der Bewegung. Jan Bielecki, Chef der größten polnischen Bank PKO, fragte in diesen Tagen im Nachrichtenmagazin „Fakt“: „Der Euro vor der Europameisterschaft 2012 – warum nicht?“

Knut Krohn[Warschau]

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