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Schwarzenegger

© dpa

Finanznotstand: Die große Dürre in Kalifornien

Kaliforniens Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat den finanziellen Notstand ausgerufen. Warum?

Der Staat Kalifornien, eine der zehn größten Volkswirtschaften der Erde, darf seine Rechnungen, Löhne und die Sozialhilfe nicht mehr wie gewohnt bezahlen. Gouverneur Arnold Schwarzenegger hat den „finanziellen Notstand“ ausgerufen. Statt Geld sollen die Lieferanten von Waren und Dienstleistungen, die Angestellten, die Stipendienempfänger und sozial Bedürftigen vorerst sogenannte „IOU“’s erhalten: Schuldverschreibungen. Das Kürzel steht für „I owe you“ – „Ich schulde Ihnen ...“ Wann sie diese Papiere in richtiges Geld umtauschen können, ist unklar. Spätestens im Herbst, verspricht Schwarzenegger. Oder schon sehr bald, sagen andere, sofern das regionale Parlament einen ordnungsgemäßen Staatshaushalt verabschiedet.

Welche Folgen hat der Notstand für die Bürger?

Kalifornien ist nicht wirklich pleite, und der Wirtschaftsalltag wird auch nicht zusammenbrechen. Der Staat ist ökonomisch und politisch lebensfähig und wird seine Schulden über kurz oder lang bezahlen. Auf die Schnelle spüren die meisten Bürger keine tiefgreifenden Auswirkungen der Notlage. Direkt betroffen ist jene kleine Zahl von Menschen, die auf Bargeld vom Staat für ihr wöchentliches Überleben angewiesen ist. Private Firmen, die den Staat oder in staatlichem Auftrag die Öffentlichkeit seit Jahren mit Waren und Dienstleistungen versorgen, werden ihre Arbeit nicht einstellen. Wenn die Behörden nun tatsächlich einen Tag weniger pro Woche geöffnet haben, die Bediensteten zwangsweise in verlängerte Wochenenden geschickt, die Schlaglöcher in den Straßen erst später repariert werden und einige Sommerkurse im Bildungswesen ausfallen, geht davon die Welt nicht unter. Die Kalifornier hoffen, dass Demokraten und Republikaner ihre Streitigkeiten beilegen und bald ein Budget verabschieden, das der Gouverneur auch unterzeichnet. Schwarzenegger droht freilich mit seinem Veto, falls die Abgeordneten seiner Vorgabe nicht folgen, keinesfalls Steuern oder Abgaben zu erhöhen.

Warum ist Kalifornien in solchen Schwierigkeiten?

Die Notlage ist im Wesentlichen auf das Zusammenspiel von vier Faktoren zurückzuführen. Zwei davon sind fast überall in den USA zu spüren. Erstens führt die weltweite Rezession zu drastisch sinkenden Steuereinnahmen. Zweitens haben fast alle 50 US-Staaten mittlerweile spezielle Haushaltsbestimmungen verabschiedet und überwiegend zu Verfassungsrang erhoben. Demnach muss das Budget ausgeglichen sein. Ausgegeben werden darf nur, was auch eingenommen wird – oder an Ersparnissen aus besseren Jahren zur Verfügung steht. Wenn es keine solchen Rücklagen gibt und die Steuereinnahmen ausbleiben, muss jeder Staat seine Ausgaben für Personal und Dienstleistungen entsprechend kürzen. In der Rezession wirkt es sich freilich zusätzlich steuermindernd aus, wenn die Staaten Lehrer, Polizisten, Feuerwehrleute und andere Angestellte entlassen und ihre Sachaufträge zurückfahren.

Die US-Bundesregierung verfolgt die gegenteilige Strategie: Sie nimmt hohe Schulden auf, um die Krise durch staatliche Investitionen zu bekämpfen. Ein Teil des Konjunkturpakets von US-Präsident Barack Obama, 144 der 787 Milliarden Dollar, kommt den Einzelstaaten zugute. Das Ziel ist unter anderem, dass sie einen Teil der Bediensteten, die sie andernfalls entlassen müssten, weiter beschäftigen.

Mindestens acht Bundesstaaten sind in einer ähnlich verzweifelten Finanzlage. Doch da schaut die Öffentlichkeit nicht so genau hin, weil sie kleiner sind. Kalifornien ist der mit Abstand größte US- Staat. Dort leben 36 Millionen Menschen, rund 12 Prozent der US-Bürger. Sie erwirtschaften 13 Prozent des Sozialprodukts der USA. Wäre es ein souveräner Staat, würde er im weltweiten Ranking der Volkswirtscshaften etwa an achter bis zehnter Stelle stehen, noch vor Brasilien, Russland, Kanada, Indien, Mexiko oder Australien.

In Kalifornien kommen zwei spezielle Ursachen hinzu – nämlich, drittens, der ideologische Streit zwischen den beiden großen Parteien. Die Republikaner wollen das aktuelle Defizit von rund 26 Milliarden Dollar allein durch Kürzungen staatlicher Leistungen schließen, auch im Bildungswesen und bei Sozialleistungen. Die Demokraten argumentieren, das sei nicht mehr möglich, nachdem das Parlament im Februar einen Nachtragshaushalt mit Streichungen im Wert von elf Milliarden Dollar verabschiedet hatte. Sie wollen die Steuern auf Energie und Tabak erhöhen und pro Auto eine zusätzliche Gebühr von 15 Dollar eintreiben.

Der vierte Faktor sind spezielle kalifornische Varianten der Demokratie. Für den Beschluss des Budgets ist eine Zweidrittelmehrheit nötig. Die Demokraten haben eine klare Mehrheit im Parlament, doch fehlen ihnen einige Stimmen zu diesem Quorum. Gouverneur Schwarzenegger, ein Republikaner, hält es mit der konservativen Minderheit und droht mit seinem Veto gegen den Ansatz der Demokraten. Außerdem schätzt Kalifornien basisdemokratische Prinzipien. Wenn das Parlament sich nicht einigt oder der Gouverneur sich gegen politische Konkurrenz profilieren möchte, kann er seine Politikansätze einer Volksabstimmung unterbreiten. Das führt meist dazu, dass die Bürger einerseits Steuererhöhungen sowie andererseits die Kürzung staatlicher Leistungen ablehnen – finanziell geht dieses doppelte Nein nicht auf.


Wie ist die Situation in anderen Bundesstaaten?

Vielerorts in den USA absolvierten die Regionalparlamente jetzt Marathonsitzungen bis tief in die Nacht und gingen doch erfolglos auseinander. Am 1. Juli hat das neue Haushaltsjahr begonnen. In North Carolina ordnete Gouverneur Bev Perdue an, dass die Behörden auch ohne gültiges Budget weiterarbeiten. In Mississippi einigte sich das Parlament auf ein Budget unter Herausnahme der öffentlichen Versorgungsunternehmen wie zum Beispiel die Müllabfuhr. Deren Schicksal wird der republikanische Gouverneur Haley Barbour per Dekret bestimmen.

Ohio verabschiedete, erstmals seit 18 Jahren, nur ein Notbudget für die nächsten sieben Tage, nachdem sich die Abgeordneten nicht auf einen Haushalt für das komplette Jahr einigen konnten. In Pennsylvania erhalten die öffentlichen Angestellten an den nächsten Zahltagen nur einen Teil ihres Gehalts – und ab August gar nichts mehr, bis ein ordnungsgemäßes Budget in Kraft tritt.

Welche Folgen hat das für die amerikanische Volkswirtschaft?

Wegen der Rechtslage können sich die Einzelstaaten nur durch harte Kürzungen aus ihren Notlagen befreien. Es würde die Krise verschärfen, wenn sie tatsächlich zu Massenentlassungen greifen und die öffentlichen Ausgaben drastisch reduzieren. Bisher versuchen sie das mit der Bundeshilfe aus dem Konjunkturpaket und diversen Tricks wie den „IOU“’s zu vermeiden – in der Hoffnung, dass im Herbst die Konjunktur anspringt.

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