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Politik: Finten hier, Finten dort

Der Streit um ein Delmenhorster Hotel, das zum Neonazi-Zentrum werden soll, spitzt sich zu

Überraschende Wende im Streit um das Delmenhorster „Hotel am Stadtpark", das womöglich an Rechtsextremisten verkauft werden soll: Der bisherige Besitzer erwägt nun, das Gebäude mit allen Schulden an die Neonazis zu verschenken statt es zu veräußern, um dadurch ein Vorkaufsrecht der Stadt auszuhebeln. Das Parlament der 80 000-Einwohner-Stadt bei Bremen hatte kürzlich zu einem juristischen Trick gegriffen: Der Stadtrat nahm die leer stehende Immobilie in ein Sanierungsgebiet auf und sicherte sich auf diese Weise ein städtisches Vorkaufsrecht. Damit reagierten die Politiker auf Pläne des verschuldeten Hotelbesitzers Günter Mergel, das Gebäude für 3,4 Millionen Euro an die rechtsextreme „Wilhelm-Tietjen-Stiftung für Fertilisation" zu verkaufen, die von dem Neonazi-Anwalt Jürgen Rieger vertreten wird.

Damit sich die Stadt den Kauf leisten und auf diese Weise das Hotel den Rechten vor der Nase wegschnappen kann, hatten Delmenhorster Bürger eine Spendenaktion gestartet. Bis Dienstagnachmittag waren schon rund 680 000 Euro zusammengekommen. Doch jetzt greift der 64-jährige Nocheigentümer seinerseits zu einer Finte: Er „denkt darüber nach“, das Grundstück samt dem Haus mit hundert Zimmern den Rechtsextremisten durch eine „gemischte Schenkung“ zu übertragen. So teilte er es am Dienstag der Presse mit. Die von Rieger vertretene Stiftung würde nach diesem Modell die auf dem Hotel lastenden Schulden übernehmen, die Schenkungssteuer zahlen und Mergel das Inventar abkaufen – macht in der Summe genau jene 3,4 Millionen Euro, die eigentlich als Kaufpreis gedacht waren. Nur dass die Übergabe diesmal als Schenkung firmieren würde. „Damit wäre das Vorkaufsrecht der Stadt Delmenhorst ausgehebelt“, schreibt Diplom-Betriebswirt Mergel ganz ungeniert in seiner Pressemitteilung.

Warum er erwägt, diesen Joker zu ziehen, ist ziemlich klar: nicht aus Sympathie mit den Neonazis, sondern um die Stadtoberen zu ärgern. Mit denen liegt er nämlich seit Jahren im Clinch. Nach seiner Auffassung hat die Verwaltung ihn in den Ruin getrieben: Sie habe nichts dagegen unternommen, dass wegen Volksfesten vor seinem Hotel zweimal jährlich die Zufahrt für seine Gäste gesperrt gewesen sei und dass jedes Wochenende lautstarke türkische Hochzeiten in benachbarten städtischen Sälen gefeiert würden. „Ich habe die Schnauze voll, mit der Stadt zu arbeiten“, begründete Mergel in einem Radio-Bremen-Gespräch seine Schenkungsidee.

Günter Feith, einer der Initiatoren der Spendensammlung, vermutet allerdings noch ein anderes Motiv: Mergel befürchte, bei einem Kauf durch die Stadt nicht die vollen 3,4 Millionen Euro wie von Rieger zu bekommen. Denn das Rathaus darf höchstens den vermutlich weitaus niedrigeren Verkehrswert entrichten, der dann durch die Spendenerlöse noch etwas aufgestockt werden soll.

Im Rathaus herrschte am Dienstag einige Aufregung über die neue Entwicklung. Die Verwaltung prüft jetzt, ob sie auch bei einer Schenkung noch ein Vorkaufsrecht ausüben könnte. Außerdem steht zur Debatte, ob eventuell die Banken den Deal vereiteln könnten, wenn Mergel seine Schulden auf Riegers Stiftung umschreiben will. Stadt-Pressesprecher Timo Frers im Gespräch mit unserer Zeitung: „Es stellt sich die Frage, ob nicht auch die Banken in diesem Punkt eine moralische Verpflichtung haben.“

Hoffnung ruht auch noch auf einem Vermittler: Die Stadt und Mergel haben bereits vor Tagen einen neutralen Dritten eingesetzt, der versuchen soll, doch noch eine Lösung zu finden – damit Delmenhorst kein bundesweites Tagungs- und Schulungszentrum für Rechtsextremisten bekommt.

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