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Politik: Fischer mahnt USA: Europa besteht nicht aus Schwächlingen

Außenminister Joschka Fischer sieht die transatlantischen Beziehungen nach dem 11. September in einer Phase, in der es neben Demonstrationen der Solidarität auch offenkundige Schwierigkeiten gibt.

Außenminister Joschka Fischer sieht die transatlantischen Beziehungen nach dem 11. September in einer Phase, in der es neben Demonstrationen der Solidarität auch offenkundige Schwierigkeiten gibt. Das deutsch-amerikanische Verhältnis sei von Klischees und Übertreibungen belastet, sagte Fischer am Mittwochabend in Berlin. Weder stelle die US-Regierung durch Militäroperationen das Primat der Politik in Frage, wie dies hierzulande gern vermutet werde, noch bestehe Europa, wie in den USA behauptet, aus "Schwächlingen", nur weil hier die politische Dimension von Problemlösungen betont werde. Der spezifisch europäische Beitrag zur Stabilisierung von Krisenregionen werde "in den USA manchmal nicht deutlich genug gesehen". Deutschland werde "auch künftig größere Zurückhaltung beim Einsatz militärischer Mittel als unsere Partner" üben.

Fischer nahm in seiner Rede zur Verleihung des Warburg-Preises an den amerikanischen Ex-Präsidenten George Bush dessen Begriff von den "partners in leadership" auf und sagte an Bush gewandt: "Wenn Europa sich wirklich eint, auch politisch, wird Ihnen ein Führungs-Partner erwachsen." Das "hoffentlich sehr bald integrierte Europa" bleibe "existenziell auf Amerika angewiesen". Auch das Bush-Wort von der "neuen Weltordnung" nach dem Ende des Kalten Krieges griff Fischer auf: Wann diese neue Ordnung komme, wisse man nicht. Er hoffe allerdings auf die Fortsetzung der "großen Tradition der US-Präsidenten", für die Bush stehe, nämlich "Europa und der Welt zugewandt" zu sein. Fischer sagte über den Kampf gegen den Terror: "Unsere Welt steht vor einer neuen totalitären Herausforderung, deren Wurzeln diesmal nicht in Europa liegen." Für die Zeit unmittelbar nach dem 11. September gelte, dass die "emotionale Bindung selten spürbarer" war. Doch seitdem habe sich etwas verändert: "Die öffentliche Meinung hat sich unübersehbar in verschiedene Richtungen entwickelt."

Fischer sprach sich indirekt gegen Militäroperationen zum Sturz des irakischen Diktators Saddam Hussein aus. Zwar gehe von Saddam "eine ernste Bedrohung für den Weltfrieden aus", doch hätte andererseits auch eine Gefährdung der regionalen Stabilität "fatale" Folgen. Deshalb müsse "politischer Druck" ausgeübt werden, um eine Wiederaufnahme der Waffeninspektionen ohne Vorbedingungen und Einschränkungen zu erreichen. Auch das gegen Irak bestehende Sanktionsregime müsse geändert werden. In einer kurzen Passage zum Nahost-Konflikt betonte Fischer das Existenzrecht des jüdischen Staates und die kritische Solidarität mit Israel, wofür er anhaltenden Applaus erhielt. Der Warburg-Preis wird von der Atlantik-Brücke verliehen. Der Chef des Vereins, Arend Oetker, versicherte Bush: "Wir schulden Ihnen mehr, als Worte zum Ausdruck bringen können." Die transatlantische Beziehung bleibe "das Fundament für eine friedliche Welt". Fischer sagte, anlässlich des "stolzen Jubiläums" der Atlantik-Brücke, die am Mittwoch ihren 50. Geburtstag feierte, sei "kein Würdigerer denkbar" als Warburg-Preis-Empfänger Bush.

Bush benutzte in seinen Dankesworten für die Haltung Deutschlands nach dem 11. September eine Formulierung, die in den USA üblicherweise für Großbritannien reserviert ist: Amerika habe "keinen wahreren Freund und keinen stärkeren Verbündeten". Schulter an Schulter stünden die USA und Deutschland "für die universellen Ziele der Menschheit". Bundeskanzler Gerhard Schröder würdigte die Atlantik-Brücke als Organisation, die "aus der Mitte der Gesellschaft" heraus dafür sorge, dass es nicht nur Regierungskontakte gebe, sondern auch den Dialog der Zivilgesellschaften, was "mindestens so wichtig" sei. Die Zeit nach dem 11. September habe bewiesen, dass das deutsch-amerikanische Verhältnis nicht nur auf Rationalität beruhe, sondern "auch eine Sache der Herzen" sei.

Familienbande

Wie Politiker nach der Macht leben? Wenn die Macht in der Familie bleibt, dann so: George W. Bush war früh schon joggen. Zurück im Familien-Sommerwohnsitz Kennebunkport legt er die Füße auf den Tisch und entspannt sich. Mutter Barbara sagt: "George, wirst Du wohl Deine Füße vom Tisch nehmen?" Vater George Bush rüffelt seine herrische Frau: "Der Typ ist der Präsident der Vereinigten Staaten, wirst Du ihn jetzt mal in Ruhe lassen!" Zumindest hat der Ex-Präsident dies so berichtet, am Mittwoch abend im Schloss Charlottenburg.

Und noch eine sarkastische Bemerkung über das Leben nach der Macht hatte Bush Sr. bereit. "Ich gebe meinem Sohn nicht viele Ratschläge, zum Glück für unser Land."

Barbara Bush selbst war wegen einer Fußinfektion nicht mit nach Berlin gekommen. Ein anderer Staatsmann jenseits der Ämtermacht, der wuchtige Witwer Helmut Kohl, saß in der Orangerie des Schlosses am Rande des Ehrentisches. Von Joschka Fischer und Gerhard Schröder ausgiebig ob seiner Verdienste für die deutsche Einheit mitgewürdigt, fand Kohl zu vorgerückter Stunde, Bush war da schon gen Wien weiter geflogen, einen nur landsmannschaftlich verwandten Gesprächspartner.

Zum vertrauten Dialog mit dem Altkanzler fand sich ein zweiter Pfälzer ein: Rudolf Scharping, der zumindest mal hatte Kanzler werden wollen. Die beiden Politiker steckten die Köpfe zusammen und prosteten sich zu. Was die beiden besprachen, bleibt ihr Geheimnis, doch unter den Vorbeigehenden wurde sofort getuschelt, da habe sich ein oft gerügter SPD-Bundesminister im Dialog mit einem Erfahreneren vorbereitet: auf die Abenddämmerung der Macht. Auf die Wehmut des Abschieds.

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