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Politik: Fit nur in Gedanken

Experten haben die körperliche Leistungsfähigkeit der Jugend gemessen – jetzt fürchten sie um die Sportnation Deutschland

Berlin . Niemand wird sagen können, Hans Jürgen Ahrens habe nicht gewarnt. Demnächst „hat unsere Fußball-Nationalmannschaft ein Durchschnittsalter von 50, und die Kinder werden auf dem Weg vom Computer zum Fernseher zusammenbrechen“, sagt der Chef der AOK. Eine düstere Zukunft.

Er hat bewusst ein wenig übertrieben, denn es ist Zeit zu alarmieren, findet Ahrens. Noch nie hat die Fitness der deutschen Kinder und Jugendlichen so rapide abgenommen wie in den letzten Jahren, und noch nie hat sich der deutsche Nachwuchs gleichzeitig so agil gefühlt. „Es gibt bei Kindern und Jugendlichen einen deutlichen Hang zur Selbstüberschätzung der körperlichen Leistungsfähigkeit“, sagte Lothar Klaes, der Geschäftsführer des Wissenschaftlichen Instituts der Ärzte Deutschlands, bei der Vorstellung einer mit dem Deutschen Sportbund (DSB) und der AOK durchgeführten Studie. Stetig steigt die Zahl der Kinder, die eher fett sind als fit; die Übungen wie Ballprellen oder Rückwärtslaufen vor erhebliche Probleme stellen. Doch beinahe die Hälfte der Schüler, deren Leistungen allenfalls ausreichend sind, schätzt das eigene Vermögen munter als „gut“ oder „sehr gut“ ein.

Die Studie fällt ein weit weniger charmantes Urteil: Allein in den letzten beiden Jahren „haben wir einen deutlichen Rückgang der körperlichen Leistungsfähigkeit der Sechs- bis 18-Jährigen verzeichnet“, sagt Klaes, der sich auf eine Studie stützt, an der gut 20 000 Schüler teilgenommen haben. Nur noch gut drei Viertel der Kinder und Jugendlichen erreichen heute die Leistungen ihrer Altersgenossen von 1995.

Neben „bedenklichen Ernährungsgewohnheiten“ nennt Klaes „den gesteigerten Medienkonsum und die zunehmende Verstädterung“ als Ursachen für den anhaltenden Negativtrend. Einen entscheidenden Beitrag zum Aufschwung muss nach Ansicht der Experten der Schulsport leisten, doch an den Schulen plagt man sich seit Pisa mit vermeintlich bedeutenderen Sorgen.

Es bleiben nur zarte Anzeichen, die Mut machen. Immerhin „hat die Studie bestätigt, dass Sport das beliebteste Fach in der Schule ist“, sagt DSB-Präsident Manfred von Richthofen. Außerdem hat knapp die Hälfte der befragten Schüler angegeben, mehr Sport treiben zu wollen – vor allem jene, die es ob ihrer mangelnden Fitness am nötigsten haben. Der Wille ist stark, das Fleisch jedoch noch schwach. „Bisher hat sich nichts verbessert“, sagt Ahrens. „Außer der Datenlage.“

Daniel Pontzen

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