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Flächenerwerbsänderungsgesetz: Der Klassenkampf lebt

Alteigentümer werden beim Rückkauf von Land begünstigt, das reißt vor allem in Mecklenburg-Vorpommern alte Wunden auf. Agrarminister Backhaus sieht eine "Klientelpolitik in Reikultur".

„Flächenerwerbsänderungsgesetz“ lautet das Wortungetüm, das Mecklenburg-Vorpommerns Landwirten besonderes Ungemach bereiten wird. So jedenfalls sieht es Schwerins Agrarminister Till Backhaus (SPD), der das von CDU, FDP und Grünen kurz vor Weihnachten im Bundestag beschlossene Gesetz als „Klientelpolitik in Reinkultur“ geißelte. Alteigentümer, die nach dem Zweiten Weltkrieg im Zuge der Bodenreform in der späteren DDR enteignet wurden, werden laut Backhaus ungerechtfertigt beim Landerwerb bevorzugt und „seine“ Bauern hätten das Nachsehen. Die Linkspartei sprach gar davon, dass „Bauernland wieder in Junkerhand“ gegeben werde.

Schwarz-Gelb rechtfertigte die Gesetzesänderung damit, dass enteignete Familien beim Kauf von Land aus ehemaligem DDR-Staatsbesitz nicht benachteiligt werden dürften, nur weil verschiedene Ämter nicht schnell genug Anträge bearbeiteten. Der Boden ist inzwischen doppelt so teuer wie 2004, weshalb die Alteigentümer nun zu Preisen von vor sieben Jahren kaufen dürfen.

Wenn die Rechnung von Agrarminister Backhaus stimmt, wird Mecklenburg- Vorpommern stärker getroffen als andere neue Länder. Wenn 11 000 Alteigentümer im Schnitt 30 Hektar zu Vorzugspreisen kaufen dürfen, reichen dafür die 350 000 Hektar, die die BVVG noch zu vergeben hat, gerade so aus. Mehr als ein Drittel der dann zu reservierenden BVVG-Flächen liegt in Mecklenburg-Vorpommern. Backhaus befürchtet, dass die Preise der übrigen Flächen weiter steigen und einheimische Betriebe ihre jetzt gepachteten Flächen nicht kaufen können.

Wolfgang von Dallwitz von der „Arbeitsgemeinschaft für Agrarfragen“ zweifelt die Angaben von Backhaus an. Die Zahl von 11 000 Anspruchsberechtigten hält er für viel zu hoch gegriffen. Auch komme kaum ein durchschnittliches Anrecht auf 30 Hektar zustande. Das sieht Johann Jakob Nagel, Chef der Schweriner Filiale der Bodenverwertungs- und -verwaltungsgesellschaft, ähnlich. Unter den 11 000 Alteigentümern seien vermutlich auch frühere Handwerker und Gastwirte, die keinen Landkauf-Anspruch haben.

Mit dem Thema Bodenreform lässt sich in den neuen Ländern immer noch trefflich Stimmung machen. Über Jahrzehnte wurde den DDR-Bürgern eingeimpft, es seien vor allem adlige „Junker“ enteignet worden, die die Nazis unterstützt hätten. Der Rostocker Historiker Mario Niemann hält diese Darstellung für „nicht stichhaltig“. Etwa 2100 Grundbesitzer wurden auf dem Gebiet des heutigen Mecklenburg-Vorpommern nach 1945 enteignet. Adlig war damals kaum noch die Hälfte der Gutsbesitzer. Zwar sei jeder vierte adlige Großgrundbesitzer Mitglied der NSDAP gewesen. Aber die Mehrheit der Landadeligen sei auf Distanz zum Regime geblieben. Die Agrarpolitik der Nazis war ihnen zu widersprüchlich, die Kirchenpolitik gefiel ihnen nicht. Hinzu kamen Standesdünkel gegenüber den rechtsradikalen Kleinbürgern.

Nach der Wende schien durchaus mancher ehemalige „Junker“ die Vorurteile zu bestätigen. Einer aus der weitverzweigten Familie von Maltzahn schlang eine Kette um das „Bodenreform-Denkmal“ bei Güstrow und riss es vom Sockel. Franz von Putbus wollte 15 000 Hektar Ackerland, vier Kalksteinbrüche und zehn Wälder auf Rügen wiederhaben – und scheiterte erst vor den Gerichten.

Andere kamen relativ geräuschlos zurück. Da Rückübertragung in der Regel ausgeschlossen war, kauften einige Adelssprösslinge das Gut ihrer Ahnen oder zumindest kleine Teile davon zurück. Heinrich Graf von Bassewitz betreibt ökologischen Landbau auf Gut Dalwitz, das vor der Bodenreform fast 600 Jahre in Familienbesitz war. Die Burg Ulrichshusen wurde von der Familie von Maltzahn zurückgekauft und inzwischen als eine bedeutende Spielstätte der Festspiele Mecklenburg-Vorpommerns etabliert. Auch die Familie von Oertzen kaufte in Roggow ihren Stammsitz zurück, wo sie seit 1192 nachgewiesen ist.

Nördlich von Schwerin wirtschaftet seit 1991 die Familie von Plessen auf zurückgekauftem Ackerland. Christian von Plessen hat damals seinen Besitz im Westen verkauft, um in seiner alten Heimat wieder Fuß zu fassen. Es erbost ihn, dass der Bund den Bodenreform-Enteigneten nicht zumindest jenes Land zurückgibt, das 1946 nicht an DDR-Siedler aufgeteilt wurde. Gegenüber den nach der Wende reich gewordenen „roten Baronen“, also ehemaligen Chefs von Landwirtschaftlichen Produktionsgenossenschaften (LPG), hegt von Plessen hingegen keinen Groll. „Sie haben ihre Chance genutzt.“

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