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Politik: Flaschen-Zwangspfand: Umweltminister Trittin will die Verbraucher umlenken - Hin zu Mehrweg-, weg von den Einwegverpackungen

Umweltpolitiker im Ausland bewundern Deutschland darum, das Worldwatch Institut findet sie gar "revolutionär": die Verpackungsverordnung. Im Land selbst erfreut sich das Regelwerk über gelbe Tonnen, den Grünen Punkt und die Quote für Bierdosen weniger großer Beliebtheit.

Umweltpolitiker im Ausland bewundern Deutschland darum, das Worldwatch Institut findet sie gar "revolutionär": die Verpackungsverordnung. Im Land selbst erfreut sich das Regelwerk über gelbe Tonnen, den Grünen Punkt und die Quote für Bierdosen weniger großer Beliebtheit. "Sie ist ökologisch unsinnig und ökonomisch widersinnig", sagt Birgit Homburger, umweltpolitische Sprecherin der FDP. Denn das System sei unflexibel und nicht mehr zeitgemäß. Als der frühere Umweltminister Klaus Töpfer (CDU) 1991 das Zwangssystem eingeführt hat, waren die Umweltpolitiker von anderen Voraussetzungen ausgegangen. Damals glaubten Homburger und ihre Kollegen, dass das Land im Müll versinke. Die Deponien waren voll, die Müllverbrennungsanlagen überlastet und die Umweltbewegung machte Druck. "Heute wissen wir, dass es anders ist", sagt Homburger.

Sie fordert daher eine Novellierung der Verpackungsverordnung und hat dazu einen Antrag in den Bundestag eingebracht. Vor allem müsse "die Mehrwegquote entsprechend neuen ökologischen Erkenntnissen" gelockert werden. Die geltende Verordnung unterscheidet Getränkeverpackungen nach Inhalt. Für Mineralwasser, Bier, Milch, Wein, Säfte und Limonaden gelten Quoten, in welchen Gebinden sie die Kundin nach Hause tragen darf. Wenn zwei Jahre in Folge weniger als 72 Prozent dieser Getränke in Mehrwegverpackungen verkauft werden, darf das Umweltministerium die Einweggebinde mit einem Zwangspfand belegen. Dadurch werden die Aluminiumdosen, Kartons und Wegwerfglasflaschen zwar nicht umweltfreundlicher, aber die Industrie soll zum Umfüllen gezwungen werden.

Das Zwangspfand naht. Denn die Quoten werden unterschritten. Die Verbraucher trinken heutzutage mehr Bier aus Dosen, Ice-Tea aus Kartons und Energie-Drinks aus Wegwerfglas. Ökologisch umstritten ist aber auch das Zwangspfand, heißt es im Umweltbundesamt (UBA). Der oberste Dienstherr der Forschungseinrichtung, Umweltminister Jürgen Trittin (Grüne), ist dennoch für das Pfand und will es ab 2001 einführen. "Das ist nicht unökologisch", sagt ein Sprecher Trittins. "Es funktioniert nicht", sagt hingegen Bernd Pieper vom Naturschutzbund Umwelt, der das starre Quotensystem ablehnt. Im Sinne der Umwelt müsse nach ökologischen und unökologischen Verpackungen unterschieden werden - und nicht nur nach Mehrweg oder Einweg. "Wir bleiben dabei", heißt es dagegen im Umweltministerium.

Trittin setzt auf Umerziehung der Trinkenden: Wenn die Getränke durch das Zwangspfand teurer werden, greifen die Menschen wieder mehr zu Mehrweg. Der grüne Umweltminister will sich auch nicht durch eine UBA-Studie beirren lassen, die im August veröffentlicht werden wird. Das UBA hat mit unabhängigen Wissenschaftlern die Ökobilanzen von Mineralwasser-, Saft-, Limonaden- und Weinverpackungen erstellt. Noch wird die Studie unter Verschluss gehalten, aber es sei "mit sehr differenzierten Ergebnissen" zu rechnen, raunt man im UBA. Fachleute, die einen Blick in das Werk werfen konnten, bestätigen den Verdacht: Bestimmte Einwegverpackungen sind ökologischer als manche Mehrwegverpackungen.

Ulrike Fokken

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