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Flüchtlinge aus Somalia: Deutsche Bürokratie erschwert Familienzusammenführung

Hawo Guled (Name geändert) sehnt sich nach ihrer Familie in Somalia. Sie ist alleine nach Deutschland geflohen – auf einem langen, schwierigen Weg.

Hawo Guled (Name geändert) sehnt sich nach ihrer Familie in Somalia. Sie ist alleine nach Deutschland geflohen – auf einem langen, schwierigen Weg. Seit Januar 2011 zählt sie zu den 378 anerkannten somalischen Flüchtlingen in der Bundesrepublik. Deshalb hat sie ein Recht auf Familiennachzug. Nach dem Eingang ihres Antrages im Frühjahr hatten ihr Mann und ihre fünf Kinder ein halbes Jahr Zeit, um bei der deutschen Botschaft in Kenia vorzusprechen. In Somalia gibt es keine. Deshalb mussten sie sich auf den langen Weg nach Nairobi machen und halb legal über die Grenze kommen.

Doch die halbstündigen Termine in Nairobi für fünf bis acht Wochen im Voraus werden nur online über die Homepage der Botschaft vergeben. Doch seien sie ständig ausgebucht. Zudem müsse jedes einzelne Familienmitglied einen eigenen Termin buchen, sagt Anwalt Hubert Heinold. Mit seiner Kollegin betreut er in München etwa 50 Familiennachzugsfälle. „Die Familien sitzen nachts vor dem Computer und versuchen um Mitternacht, einen der freigegebenen Termine zu bekommen.“

Das Onlinebuchungssystem sei gewählt worden, um lange Schlangen vor der Visastelle der kenianischen Botschaft zu umgehen, heißt es im Auswärtigen Amt. Für Guleds Familie lief im Herbst 2011 die Frist für die Buchung eines Termins aus. Es war ihr nicht gelungen, einen Termin zu vereinbaren. In der Hoffnung, dass der Familiennachzug sie retten würde, hätten viele Somalier den Weg nach Kenia schon mehrmals angetreten. „Mit Glück werden sie geduldet. Wer Pech hat, gerät in eine Razzia, kommt in Haft und wird wieder nach Somalia abgeschoben“, sagt Anwalt Heinold. Das Auswärtige Amt bestreitet die Probleme und sagt: „Somalische Flüchtlinge, die einen Familiennachzug beantragen, halten sich nach den Erfahrungen der Botschaft Nairobi in der Regel schon länger in Kenia auf.“

Doch es gibt noch weitere bürokratische Hürden. So werden somalische Pässe von der deutschen Botschaft nicht akzeptiert. Somalia existiert seit 1991 nicht mehr, viele Somalier besitzen keine Pässe. Um ihre Identität nachzuweisen, müssen sie bei der Antragstellung einen Ausweis vorlegen. Er gilt laut Auswärtigem Amt jedoch nicht als Reisedokument. Deshalb müssen sie gleichzeitig eine Befreiung von der Passpflicht beantragen, falls sie später nach Deutschland ausreisen dürfen. Doch betrügen allein die Wartezeiten für einen Identitätsnachweis bei der somalischen Botschaft in Kenia etwa sechs Wochen, sagt Heinold. „Flüchtlinge hängen also oft monatelang in Nairobi in Sammelunterkünften herum, in der Gefahr, abgeschoben zu werden.“ Das Recht auf Familiennachzug bestünde nur auf Papier, sagt er. Heinold und seine Kollegin klagen gegen mehrere Ablehnungsbescheide ihrer somalischen Mandanten. „Meist haben sie mit fehlenden Dokumenten oder verpassten Terminfristen zu tun, für die die Flüchtlinge nichts können“, sagte Heinold. Und wer keinen Anwalt hat? „Scheitert“, sagt Heinold.

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