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Eine Familie flüchtet aus dem Norden Syriens.

© AFP

Flüchtlinge aus Syrien: Türkei nimmt binnen 24 Stunden 8000 Flüchtlinge auf

Allein in der Nacht von Donnerstag auf Freitag haben es 11 000 Menschen Syrien verlassen, 8000 von ihnen hat die Türkei aufgenommen. Auch andere Nachbarländer sind zunehmend überfordert. Wie sieht die Situation der Hilfesuchenden aus?

Von Katrin Schulze

Jeden Tag verlassen Tausende ihr Heim und ihre Heimat. Weil es schlicht zu gefährlich wird. Allein in der Nacht von Donnerstag auf Freitag waren es 11 000 Menschen, die sich wegen der eskalierenden Gewalt in Syrien auf den Weg in die Nachbarländer machten, wo es jedoch immer schwieriger wird, alle Flüchtlinge aufzunehmen und zu versorgen. Einige Camps sind jetzt schon überfüllt, woanders mangelt es selbst am Nötigsten. Doch auch in Syrien selbst hat sich die humanitäre Lage nach Informationen verschiedener Hilfsorganisationen dramatisch verschlimmert. Oft fehlen den Helfern Zugang und Geld. Und der Winter steht erst noch bevor.

Insgesamt leiden mehr als drei Millionen Menschen unter den Kämpfen, so geben es die Vereinten Nationen an. Ihren Informationen zufolge sind bislang 408 000 Menschen in die Nachbarstaaten geflüchtet, wobei es wohl bei dieser Zahl nicht bleiben wird. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) befürchtet, dass sich die Zahl der Schutzsuchenden bis Jahresende sogar verdoppeln könnte. Derzeit hält sich die größte Gruppe (120 000 Menschen) in der Türkei auf, danach folgen der Libanon, Jordanien, Irak und Nordafrika. Tatsächlich dürfte die Zahl der Flüchtlinge höher liegen, denn viele sind nicht registriert. Auch genaue Angaben über die Bedürftigen in Syrien sind aufgrund der Sicherheitslage schwierig. Experten schätzen, dass etwa 1,2 Millionen Männer, Frauen und Kinder dort auf Unterstützung angewiesen sind. Für sie ist die Lage besonders prekär.

Hilfsaktionen sind wegen der Kämpfe nur sehr eingeschränkt möglich. In Syrien läuft die medizinische Versorgung sowie die Verteilung von Nahrungsmitteln und Hilfspaketen größtenteils über den syrischen Roten Halbmond – und erreicht zu selten ihr Ziel. Vor kurzem berichtete die Union syrischer ärztlicher Hilfsorganisationen (Uossm), dass internationale Hilfe, die an den Roten Halbmond gehe, größtenteils nicht bei der Zivilbevölkerung ankomme. „90, sogar 95 Prozent“ würden von der syrischen Führung konfisziert, hieß es. Andere Stellen konnten diese Angaben nicht bestätigen, Probleme kennen sie aber ebenfalls. Zu Beginn des Opferfestes Ende Oktober zum Beispiel sollten mehrere hundert Tonnen Hilfsgüter verteilt werden, „doch weil die vereinbarte Waffenruhe nicht eingehalten wurde, kam nur ein Teil davon an“, sagt Stefan Telöken vom UNHCR. Viele Menschen seien durch die Gefechte praktisch unerreichbar.

„Der Konflikt ist ausgedehnter und intensiver als noch vor ein paar Monaten. Es gibt keine klare Frontlinie“, beschreibt Heinke Veit die Situation. Sie arbeitet für die Humanitäre Organisation der Europäischen Union (Echo) in Jordaniens Hauptstadt Amman. Man wisse nie, wo und wann gerade gekämpft würde, weshalb es ungemein schwierig sei, organisierte Hilfe zu leisten, ohne dabei selbst in Gefahr zu geraten. Obwohl die Lage derart angespannt ist, hat Veit beobachtet, dass die meisten Syrer zunächst versuchen, nahe ihrer Heimatdörfer Schutz zu suchen. „Eine Flucht in eines der Nachbarländer ist der letzte Ausweg für die Menschen.“ Dort ist es zwar für die Menschen etwas sicherer, doch gerade in den Camps kommt es häufig zu Konflikten und Engpässen.

Eigentlich sind die Hilfsorganisationen bemüht, keine dieser Lager entstehen zu lassen, weil die Bewohner dann in eine unnatürliche Umgebung kämen und abgeschottet seien, sagt Veit. Die Eingliederung in die Gesellschaft falle diesen Flüchtlingen später erfahrungsgemäß besonders schwer. Ist der Menschenstrom zu groß, sind Zeltstädte aber nicht zu vermeiden.

Eine der größten liegt im jordanischen Saatari, mitten in der Wüste. Heinke Veit hat das Camp gerade erst besucht. „12 Familien teilen sich hier eine Küche und ein Bad“, erzählt sie. Inzwischen gebe es drei Kliniken und eine Schule sowie Zelte, in denen Kinder spielen können. Die Kleinsten bilden in der Zeltstadt die Mehrheit, auch viele Frauen sind hier, Männer gibt es nur wenige. Jetzt, da der Winter kommt, brauchen sie vor allem Heizmittel, Decken und warme Kleidung. Außerdem müssen die Zelte wegen der zu befürchtenden Kälte Containern weichen.

Das kostet Geld – und Geld ist knapp. „Die Mittel, die bisher da sind, werden für die gesamte Umrüstung nicht reichen“, sagt Telöken. Denn trotz mehrfacher Aufrufe haben die Vereinten Nationen bisher nicht einmal die Hälfte der von ihren Mitgliedern angeforderten 348 Millionen Dollar für die Syrien-Hilfe erhalten. Das Problem ist, dass die offiziellen UN-Appelle nicht bindend sind. Deutschland hatte erst am Donnerstag bekannt gegeben, seine Hilfsmittel um zwölf Millionen Euro auf nun 67,3 Millionen aufzustocken. Telöken sagt: „Andere Länder sollten angesichts der Lage auch tätig werden.“

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