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Flüchtlinge warten bei frostigen Temperaturen auf einen Termin im Lageso. In anderen Städten läuft das weniger chaotisch.

© Kay Nietfeld/dpa

Flüchtlinge: Berlin hat das Lageso - wie machen's Hamburg und Bremen?

Wenn es um Flüchtlinge geht, herrscht in Berlin Chaos. In den anderen Stadtstaaten läuft es anscheinend besser. Warum eigentlich?

Das Lageso ist durch chaotische Zustände weit über die Berliner Landesgrenzen hinaus bekannt geworden. Die Bilder von Flüchtlingen, die vor dem aschgrauen Gebäude im Schlamm warten, sind bekannt. Mehr als 80000 Schutzsuchende haben Berlin erreicht, die Berliner Verwaltung ist überfordert. Immer wieder mahnen Ehrenamtliche und Verbände die schlimmen Zustände an.

Spricht man dagegen mit Helfern in Bremen, hört man keine Horrorgeschichten von Menschen, die tagelang vor dem Sozialamt warten, immer wieder weggeschickt werden – oder von Einladungen zu Terminen, die am Ende doch niemand wahrnehmen kann. Der Unterschied zwischen den beiden Stadtstaaten liegt in den Verwaltungsvorgängen: „Zu viele Termine vergeben, das ist doch für beide Seiten unsinnig“, so Bernd Schneider, Pressesprecher der Bremer Sozialsenatorin. Etwa 45 Fälle schaffe die Verwaltung am Tag. „So viele werden auch eingeladen.“

Die Lage in Bremen war Anfangs sehr chaotisch

Auch in Bremen sei es anfangs chaotisch gewesen, gibt er zu – die Zahl der Flüchtlinge wurde unterschätzt. Doch anders als Berlin, bekam Bremen die Probleme scheinbar in den Griff. Die Stadt zog früh Angestellte aus den sozialen Diensten ab und beorderte sie in die Flüchtlingshilfe, die Bundeswehr wurde früh um Hilfe bei der Errichtung von Unterkünften und der Verwaltung gebeten.

„Wenn wir streng nach Dienstplan gehandelt hätten, wäre das natürlich im Chaos geendet“, sagt Schneider. Etwas mehr als 10000 Flüchtlinge hat der Stadtstaat seitdem aufgenommen, bei etwas mehr als 500000 Einwohnern. Die Organisation und Verwaltung funktioniere, weil Aufgaben dezentral verteilt sind. Die erste Registrierung könne bereits direkt in der Erstaufnahmeeinrichtung vorgenommen werden. Die Außenstelle des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), wo Flüchtlinge ihr Asylgesuch einreichen müssen, liegt etwa drei Kilometer entfernt. 2016 soll das Bamf auch in das Gebäude einziehen.

Die Zelte für Flüchtlinge sind nicht winterfest

Damit will man Verhältnisse wie in Heidelberg schaffen. Dort hat man alle Abläufe zusammengelegt und einem neuen Verfahren unterworfen: Man teilt Flüchtlinge in drei Gruppen – wahrscheinliche Aufnahme, wahrscheinliche Abschiebung und drittens komplizierte Fälle – und beschleunigt so die Arbeit der Beamten.

Mit dem Wintereinbruch mit viel Schnee ist die Situation im Norden allerdings noch einmal chaotisch geworden in Bremen, erzählen Helfer, die ihren Namen ungern in der Zeitung lesen möchten. 1300 Flüchtlinge sind zurzeit in Zelten untergebracht. „Alle diese Zelte sind wetterfest, aber nicht winterfest“, bestätigt Bernd Schneider. Immer wieder müsse man Zelte evakuieren, heißt es. Nur mühsam bekommt man die Lage in den Griff.

Hamburg hat Flüchtlinge in Baumärkte einquartiert: ein Desaster

95 Kilometer nordöstlich sah es im Oktober und November viel schlimmer aus – Berliner Verhältnisse herrschten da auch in Hamburg. Von „humanitärem Totalversagen“ schrieb die „Hamburger Morgenpost“. Der NDR fürchtete, Hamburg versinke im „Flüchtlingschaos“. In Eidelstedt gab es für mehrere hundert Menschen überhaupt keine Betreuung. Statt die Flüchtlinge in Sporthallen unterzubringen, wurden sie fast spontan in Baumärkten einquartiert – ein Desaster. „Wir waren nicht vorbereitet“, sagt Frank Reschreiter, Pressesprecher der Hamburger Innenbehörde.

2015 sind 50000 Schutzsuchende in Hamburg angekommen und auf eine Stadt verteilt worden, die selbst knapp 1,7 Millionen Einwohner hat. Zum Vergleich: In der Hauptstadt kommen 80000 Flüchtlinge auf knapp 3,5 Millionen Einwohner. Dabei hat Berlin – wie die anderen beiden Stadtstaaten auch – das Problem, Flüchtlinge nicht auf Kommunen verteilen zu können.

Lob für Hansestadt kommt von Amnesty International

Hamburg gehe mit der Situation mittlerweile immer besser um, sagt Amnesty International: „Die Regierung bemüht sich, alles im Rahmen des Möglichen zu tun“, sagt ein Mitarbeiter. Der entscheidende Vorteil sei, dass die Flüchtlinge in Hamburg und Bremen nicht alle zu einem einzigen Amt mit begrenzten Öffnungsmöglichkeiten müssten.
Noch in diesem Jahr will Hamburg – ähnlich wie Bremen – alles aus einer Hand anbieten: „In sieben Tagen von der Ankunft bis zum Erstantrag dauert es dann“, sagte Reschreiter dem Tagesspiegel.

Doch zurzeit schlägt sich die Hansestadt noch mit ganz anderen Problem rum: Der Winter ist eingebrochen. Hunderte Flüchtlinge mussten frieren, Heizungen waren ausgefallen, Einrichtungen wurden evakuiert. Schnell wurden die Flüchtlinge jetzt in befestigte Unterkünften einquartiert. Reschreiter sagt: „Chaos gibt es oft – entscheidend ist, dass man schnell Lösungen findet.“

Nils Wischmeyer

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