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Wartezeiten sogar für die Abgabe des Antrags? Bamf-Chef Frank Weise will Zustände wie die am Berliner Lageso künftig verhindern.

© Fabrizio Bensch/Reuters

Flüchtlinge: Bundesamt will Asylverfahren demnächst in 48 Stunden schaffen

Asylverfahren sollen demnächst in kürzester Zeit abgeschlossen und der Berg von Altfällen abgebaut werden. Das plant das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge. Doch es gibt Zweifel.

Asylverfahren sollen künftig in der Regel innerhalb von 48 Stunden nach der Ankunft von Flüchtlingen in Deutschland abgeschlossen sein. Das hat der Präsident des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (Bamf), Frank Weise, am Freitag angekündigt. Dafür müssen allerdings erst jene 20 Zentren eingerichtet sein, in denen die Mehrzahl der Verfahren abgewickelt werden soll. Für das laufende Jahr gab Weise als Ziel aus, dass der Berg unerledigter Verfahren abgebaut – aktuell 370 000 – und neue Fälle binnen drei Monaten abgeschlossen werden.

Sofort nach der Ankunft in Ankunftszentren

Der Rückstand allerdings wächst weiter. Wie das Bundesinnenministerium am Tag zuvor mitgeteilt hatte, gab es im Januar rund 7000 unerledigte Anträge mehr als noch im Dezember – obwohl das Bamf in diesem Zeitraum über 6000 Anträge mehr entscheiden konnte. Auf zwischen 300 000 bis 400 000 Menschen schätzt das Amt zudem die Zahl derer, die zwar an den Grenzen gezählt wurden, aber noch nicht im Asylsystem registriert sind. Weises Amt hat sein Personal zwar innerhalb von anderthalb Jahren verdreifacht, kann aber derzeit nicht einmal Asylanträge sofort entgegennehmen, sondern vergibt auch dafür Termine mit mehreren Wochen Wartezeit.
Auf mittlere Sicht sollen Flüchtlinge direkt nach ihrer Ankunft auf die Ankunftszentren verteilt, dort identifiziert werden und ihren Asylantrag stellen können. Am selben Tag oder am Tag darauf soll das Verfahren abgewickelt und der Asylbescheid fertig sein. Anerkannte Flüchtlinge werden dann nach Länderschlüssel verteilt, abgelehnte Asylbewerber müssen für ihren „Rückführungsprozess“ in den Zentren bleiben, erläuterte Katja Wilken-Klein, die im Bamf für die Verbesserung von Abläufen zuständig ist. Asylbewerber mit guter Bleibeperspektive sollen schon in dieser Phase einen Kurzlebenslauf ausfüllen, damit bald ein erstes Gespräch im Jobcenter möglich ist.

Weise: Aktuelle Lage nicht akzeptabel

Die augenblickliche Situation mit immer noch monatelangen Verfahren und Wochen des Wartens selbst auf einen Antragstermin nannte Weise „nicht akzeptabel“. Sie sei für die betroffenen Menschen schlimm, schlecht für ihre Integration und erzeuge „das Gefühl, dass rechtsstaatliche Verfahren nicht funktionieren“. Vor allem der Abstand zwischen Ankunft und Antrag müsse verkürzt werden: „Es geht nicht um Beschleunigung der Verfahren, das geht in ein paar Stunden. Es geht darum, dass die Menschen nicht mehr so lange warten müssen.“
Weise wandte sich gleichzeitig gegen Kritik aus den Länderinnenministerien. Vorschläge wie den nach Verlängerung der Arbeitszeit finde er „wenig professionell“. An einigen Standorten gebe es „längst Arbeitszeiten von frühmorgens um sechs bis abends um 22 Uhr“. Dank hoch motivierter Belegschaft und Hilfe aus anderen Behörden würden inzwischen 2000 Fälle pro Tag entschieden. 2014 habe man lediglich 600 geschafft. Weise, der darauf setzt, dieses Jahr 1,1 bis 1,2 Millionen Fälle abzuschließen, sagte, dafür brauche es aber eine Steigerung auf 6000 Bescheide pro Tag.

Fair und rasch, das wird schwierig

Ausländerrechtsexperten zweifeln allerdings, ob dieses Ziel zu erreichen ist. Der Berliner Rechtsanwalt Bernward Ostrop verwies auf die Ausstattung der geplanten Zentren: Rechtsberatung, so Ostrop, begreife das Bamf „nicht als unabhängige Beratung, sondern als solche mit den eigenen Leuten“. Man könne zwar auch mit einer Verkürzung zu fairen Verfahren kommen, wie die Schweiz und die Niederlande sie hätten. Dort erhielten die Asylbewerber aber an Ort und Stelle Rechtsanwälte zur Seite gestellt. Ostrop koordiniert für den Berliner Anwaltsverein die Asylrechtsberatung am Flughafen Berlin-Schönefeld.

Er wie die Frankfurter Jura-Professorin Astrid Wallrabenstein wiesen bei einer Veranstaltung des Mediendiensts Integration darauf hin, dass schon die beiden Asylpakete I und II – das eine von Oktober, das zweite in dieser Woche auf den Weg gebracht – nicht geeignet seien, die Verfahren zu verkürzen. Sie seien „mit so heißer Nadel gestrickt“, dass über ihre internationalen, europa- und verfassungsrechtlichen Konsequenzen niemand ernsthaft nachgedacht habe, sagte Wallrabenstein. Vieles darin kollidiere mit dem Grundgesetz und europäischen Vorschriften. Die von Weise vorgestellten Ankunftszentren verzahnten Bundes- und Landesebene so eng wie vor Jahren die Vorläufer der Jobcenter („Arge“) – die das Verfassungsgericht deswegen kippte. Die Asylpakete würden Verfahren nach sich ziehen, die Sache sei „noch lange nicht zu Ende“.

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