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In vielen Turnhallen, die zeitweise als Unterkünfte gebraucht wurden - hier in Berlin-Charlottenburg - kann demnächst wieder Sport stattfinden.

© Kay Nietfeld/dpa

Flüchtlinge: Erstunterkünfte stehen zur Hälfte leer

Die Balkanroute ist dicht, es kommen weniger Flüchtlinge und erste Turnhallen werden wieder frei. Doch das muss nicht so bleiben.

Die faktische Schließung der Balkanroute für Flüchtlinge Richtung Norden macht sich in den Aufnahmeeinrichtungen in Deutschland bemerkbar. Nach einer Umfrage der „Welt am Sonntag“ stehen Erst- und Notaufnahmen bundesweit etwa zur Hälfte leer.

Baden-Württembergs Integrationsministerin: Wir brauchen weiter Puffer

Lediglich in den Stadtstaaten Bremen, Berlin und Hamburg ist die Lage nach wie vor hochangespannt. Die Einrichtungen in Thüringen und Sachsen werden dagegen zu rund achtzig Prozent nicht mehr genutzt. Die Auslastungsquote gab Sachsen mit 20,4, Thüringen mit nur 18,6 Prozent an – die beiden niedrigsten Werte. Dass das kein Ostphänomen ist und mit dem allgemein größeren Wohnangebot in den östlichen Ländern zu tun hat, belegen freilich Brandenburg und Sachsen-Anhalt. Dort liegen die Werte im Bundesschnitt. Sachsen-Anhalt meldet einen Leerstand von 56 Prozent, Brandenburg von 44.
Deutlich gesunken ist die Belegung auch in den Erstaufnahmeeinrichtungen in Baden-Württemberg. Der Umfrage zufolge sind sie aktuell nur zu 33 Prozent ausgelastet, der geringste Wert unter den westlichen Bundesländern nach dem Saarland mit 27,5 Prozent. Die scheidende sozialdemokratische Integrationsministerin Bilkay Öney warnt allerdings davor, jetzt die Kapazitäten herunterzufahren. „Wir haben auch bisher schon mit Puffern gearbeitet, weil wir nie wussten, wie viele kommen würden. Das sollte so bleiben“, sagte sie dem Tagesspiegel. „Auch der Deal mit der Türkei, der an diesem Sonntag in Kraft tritt, bedeutet, dass weiter Flüchtlinge kommen werden. Zudem ist unklar, was mit denen geschieht, die jetzt in Griechenland festsitzen.“

Lage in Hamburg, Berlin und Bremen bleibt angespannt

Eine nachhaltige Entlastung sieht Öney nicht. „Der Blick nur auf die Erstaufnahmen ist jedenfalls verkürzt, zumal dort in erster Linie Notunterkünfte ungenutzt blieben“, sagt Öney. „Dank guten Managements im Zentralen Registrierungszentrum in Heidelberg konnten wir die Menschen rasch in die Landkreise und Kommunen weiterverteilen. Aber alle Engpässe und Schwierigkeiten landen damit auch dort. Und dort gibt es sie weiterhin.“
Dass die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen am anderen Ende der Liste stehen und die Unterkünfte weiter bis zum letzten Platz belegt oder sogar überfüllt sind, hält Canan Ulufer für leicht erklärbar. Die angespannte Lage auf dem Wohnungsmarkt, die hohen Immobilien und Mietpreise machten es schwierig, die Menschen rasch aus den Erstaufnahmen zu holen. Und da hätten nicht nur Flüchtlinge ein Problem, sagt Ulufer, die viele Jahre Sprecherin der Landes-AG Migration der Grünen war und im Hauptberuf als Schwangerenberaterin bei der Diakonie arbeitet, verweist auf die hohen Immobilien- und Mietpreise ihrer Heimatstadt. „Die Hälfte aller, die in unsere Beratung kommen, braucht auch eine Wohnung.“ Hamburg meldet weiterhin eine Auslastung der landeseigenen Flüchtlingsunterkünfte von 92 Prozent, Berlin nennt 96,2 und Bremen sogar 100 Prozent Auslastung.
Für die Flüchtlingszahlen, die in Deutschland seit fünf Jahren rasant nach oben kletterten, wurden auch Sporthallen zu Unterbringungsmöglichkeiten umfunktioniert. Hessen meldet laut „Welt am Sonntag“ nun, dass alle 23 so genutzten Sportstätten im Land wieder frei seien. In Sachsen gilt das nur für einen Teil, bis Mai sollen alle Hallen wieder für den Sport nutzbar sein.

Nordländer wollen mehr Plätze schaffen

In den 1990er Jahren waren Unterbringungen nach dem Ende der Fluchtwelle aus den Balkankriegen und der Verschärfung des Asylartikels im Grundgesetz drastisch reduziert worden. Das ist vor allem seit Beginn des Krieges in Syrien 2011 von Fachleuten massiv kritisiert worden; auch der frühere Chef des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge, Manfred Schmidt, warnte davor, diesen Fehler jetzt zu wiederholen. Tatsächlich planen aktuell Schleswig-Holstein und Hamburg, weitere neue Plätze zu schaffen.

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