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Flüchtlinge vor dem Landesamt für Gesundheit und Soziales (LaGeSo) in Berlin.

© Paul Zinken/dpa

Flüchtlinge in Deutschland: „Das macht den Menschen Angst“

Vertriebenen-Präsident Bernd Fabritius will Wirtschaftsflüchtlinge schneller zurückschicken – und fordert gleichzeitig mehr Solidarität mit den Opfern von Vertreibung.

Ihr Verband erinnert an das Leid der Menschen, die vor 70 Jahren ihre Heimat verloren haben. Was empfinden Sie angesichts der aktuellen Flüchtlingsströme?

Ich empfinde Bedauern darüber, dass die Menschheit nichts gelernt hat aus dem Flüchtlings- und Vertreibungsgeschehen des letzten Jahrhunderts. Der Bund der Vertriebenen hätte sich gewünscht, dass Vertreibung ein Phänomen der Vergangenheit ist. Wir drängen deshalb seit jeher darauf, Vertreibungsursachen mit aller Kraft zu bekämpfen. Gleichzeitig fordern wir Anteilnahme, Empathie und Aufnahmebereitschaft für Menschen, die dieses Schicksal erleiden. Aber dafür muss man differenzieren zwischen Kriegsflüchtlingen, die wirklich ihre Heimat verloren haben und Menschen, die freiwillig, aus wirtschaftlichen Gründen, migriert sind und jederzeit wieder zurückkönnen. Und man darf keine historischen Vergleiche anstellen, die hinken.

Bernd Fabritius ist seit November 2014 Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV)
Bernd Fabritius ist seit November 2014 Präsident des Bundes der Vertriebenen (BdV)

© Bernd Von Jutrczenka/dpa

Sie meinen, die Situation der Heimatvertriebenen von damals ist nicht mit der der heutigen Asylbewerber vergleichbar?
So ist es. Selbst bei den Kriegsflüchtlingen ist die Situation eine ganz andere. Die Heimatvertriebenen von damals kamen in ihr Mutterland, in den gleichen Kulturkreis. Auch sie waren dort erst nicht willkommen, doch durch Dialog und gemeinsame Leistungsbereitschaft wurde ihre Integration zur Erfolgsgeschichte. Die heutigen Flüchtlinge und Vertriebenen kommen aus ganz anderen Kulturen, mit fremden Wertvorstellungen und Auffassungen, die teilweise mit unserem Grundkonsens nicht vereinbar sind. Damit Sie mich nicht missverstehen: Ich werbe dafür, diese Menschen mit offenen Armen zu empfangen und ich bin mir sicher, dass sie für Deutschland eine Bereicherung sein können. Aber sie stellen die Gesellschaft vor ganz andere Integrationsanforderungen.

Haben die Heimatvertriebenen von damals vergessen, dass sie im Nachkriegsdeutschland selber Flüchtlinge waren, mit nichts als einem Koffer in der Hand?
Nein, das vergessen sie nie. Und sie vergessen auch nicht, wie sich das anfühlt. Gerade weil wir am eigenen Leibe erlebt haben, wie es ist, seine Heimat verlassen zu müssen, stehen wir den Flüchtlingen von heute mit offenen Armen zur Seite. Vielleicht rührt daher ja die besondere Offenheit der Heimatvertriebenen, denen man fälschlicherweise nachsagt, sie stünden politisch eher im rechten Spektrum.

Es gibt unter den Heimatvertriebenen auch einen Eigentümerbund Ost, der zur Unterstützung der Pegida-Demonstrationen aufgerufen hat...
Davon distanzieren wir uns entschieden. Wir wenden uns nachdrücklich dagegen, Ängste zu instrumentalisieren und gegen Mitmenschen, die ein tragisches Schicksal erleiden, zu hetzen. Gleichzeitig dürfen wir nicht übersehen, dass der Zuzug von Fremden tatsächlich viele beunruhigt, weil sie fürchten, aus ihrem eigenen Werteumfeld vertrieben zu werden.

Ist diese Sorge berechtigt?

Nein, gerade in den neuen Bundesländern ist die befürchtete Islamisierung schlicht ein Phantasiegebilde. Aber es ist wichtig, die Sorgen derer, die über zu wenig Information verfügen, ernst zu nehmen, und ihnen durch Aufklärung und klare Positionierung gegenzuwirken.

Kann man Empathie und Anteilnahme denn einfordern, wie Sie es tun?

Man kann dazu auffordern. Aber sie haben Recht: Empathie muss entstehen. Sie entsteht durch Aufklärung. Hier haben die Medien eine wichtige Bedeutung. Ich bedauere manche Schlagzeile, die nur auf Effekthascherei zielt und dazu da ist, Ressentiments gegen Flüchtlinge zu wecken.

Was tun die Vertriebenenverbände denn für den Abbau von Ressentiments und zur Integration der Flüchtlinge?
Wir werben in die Gesellschaft hinein um Beistand für die Betroffenen. Und wir bieten konkrete Hilfen – mit mehreren hauptamtlichen und über 200 ehrenamtlichen Beratungsstellen. Dort erhalten Migranten Erstberatung und Unterstützung beim Ausfüllen von Antragsformularen und menschliche Anteilnahme.

Anders als die Heimatvertriebenen kommen die Kriegsflüchtlinge in ein Land, das ökonomisch stark ist wie nie zuvor und sogar Fachkräfte benötigt. Warum nehmen wir sie nicht mit offenen Armen auf?
Wir dürfen nicht so tun, als ob Deutschland alle, die ihre Heimat verlassen müssen, aufnehmen könnte. Momentan tragen wir 30 Prozent der gesamten Flüchtlingslasten der EU. Das spricht nicht von europäischer Solidarität. Im übrigen: Für Kriegsflüchtlinge, etwa aus Syrien, besteht hierzulande große Offenheit. Wenn es Ressentiments gibt, entspringen sie dem Umstand, dass gleichzeitig so viele andere kommen, die unser Asylrecht missbrauchen. 700 000 Asylbewerber allein dieses Jahr – das überfordert die Kommunen und macht den Menschen Angst.

Sie fordern mehr Abgrenzung gegenüber Asylbewerbern aus den Balkanstaaten?
Für Wirtschaftsmigranten aus Ländern, die Beitrittskandidaten der EU sind und nur ihre persönliche Lebenssituation verbessern wollen, ist unser Asylrecht nicht geschaffen. Diese Differenzierung ist nötig, um die Empathie mit den Opfern echter Vertreibung nicht zu gefährden.

Was sollte aus Ihrer Sicht geschehen?
Ohne diejenigen, die unser Asylrecht missbrauchen, hätten wir nur halb so große Zuzugszahlen. Würden wir sie beherzter in ihre Heimat zurückschicken, würde sich dort sehr schnell verbreiten, dass sich der Versuch nicht lohnt und die 1000 Euro für den Weg in den Wind geschossen sind. Dann würden diese Leute zu Hause etwas für den Aufschwung und die Verbesserung ihrer Lebenssituation tun, statt einfach dorthin zu gehen, wo sie sich den höchsten Lebensstandard versprechen. Daher fordern wir eine Angleichung des Leistungsniveaus für Asylbewerber in allen EU-Ländern auf einen gemeinsamen Durchschnittswert. Und die Festlegung weiterer sicherer Drittstaaten.

Werden Bevölkerungsgruppen wie die Roma in den Balkanstaaten denn nicht drangsaliert und verfolgt?
Ich kann mir gut vorstellen, dass es Roma gibt, die berechtigte Asylgründe haben. Die sollen ihr Asylrecht natürlich nutzen können. Die Festlegung auf sichere Drittstaaten bedeutet ja nur eine Beweislastumkehr. Man muss die politische Verfolgung dann individuell nachweisen. Aber die Erfahrung zeigt, dass gegenwärtig nicht mal ein halbes Prozent der Asylanträge aus diesen Staaten berechtigt sind.

Bernd Fabritius (50) ist seit 2013 CSU-Abgeordneter im Bundestag und seit Ende 2014 Präsident des Bundes der Vertriebenen. Als Spätaussiedler kam er 1984 von Rumänien nach Deutschland

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