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Flüchtlinge aus Syrien, Eritrea, Iran und Irak nehmen an einem Deutschkurs teil.

© dpa

Flüchtlinge in Deutschland: Der Streit über die Integrationskosten ist erbärmlich

Zur Bewältigung der Flüchtlingskrise hatte Angela Merkel eine "nationale Kraftanstrengung" gefordert. Seit Monaten offenbaren Bund und Länder menschliche Krämerseelen. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Malte Lehming

Innerhalb weniger Monate kamen rund eine Million Flüchtlinge nach Deutschland. Viele von ihnen waren traumatisiert, ohne Familienanhang, ohne Sprach- und Kulturkenntnis. Die Erstaufnahmeeinrichtungen platzten aus allen Nähten. Die Unruhe nahm zu. „Wir schaffen das“, sagte die Bundeskanzlerin, aber es werde Zeit, Kraft und Geld kosten. Zu Recht sprach Angela Merkel von der größten Herausforderung ihrer Amtszeit und von „einer ganz wichtigen Phase in unserer Geschichte“. Vizekanzler Sigmar Gabriel nannte die Bewältigung der Flüchtlingskrise gar die „größte Herausforderung seit der Wiedervereinigung“. Eine Schicksalsfrage.

Deshalb bedürfe es einer „nationalen Kraftanstrengung“, meinte Merkel und zog eine historische Analogie: „Wir wissen, dass wir schnell waren, als es darum ging, die Banken zu retten“, sagte sie. „Wir müssen genauso schnell sein, wenn es darum geht, die Kommunen und Länder für diese Herausforderung zu entlasten.“ Darüber hinaus appellierte sie an die Solidarität anderer europäischer Länder, Deutschland mit den Geflüchteten nicht alleine zu lassen. Das war vor zehn Monaten.

Heute bietet sich ein anderes Bild. Klein und kleinlich sind die Protagonisten geworden, das Verständnis für die Dimension des Geschehens scheinen sie verloren zu haben. An diesem Donnerstag findet das dritte Gipfeltreffen zur Verteilung der Integrationskosten für Flüchtlinge im Bundeskanzleramt statt. Zwei Vorläufer, im Mai und Juni, waren gescheitert. Bund und Länder können sich nicht einigen. Wer zahlt für was? Für zusätzliche Kitaplätze, Sprachkurse, Betreuung, Ausbildung?

Finanzminister Wolfgang Schäuble fordert von den Ländern genaue Nachweise über ihre Auslagen. In die eigenen flüchtlingsbezogenen Ausgaben rechnet der Bund Posten wie internationale Bundeswehreinsätze oder den Stabilitätspakt mit Afghanistan ein. Die Länder sind der Auffassung, der Bund habe die Krise ausgelöst und müsse deshalb stärker in die Pflicht genommen werden. Es ist beschämend.

Die bange Frage lautet: Wissen die eigentlich, was sie tun?

Denn damit setzt sich ein Eindruck fest, der bis heute auch offene und hilfsbereite Menschen mit der Flüchtlingspolitik der Bundesregierung hat fremdeln lassen. Die bange Frage lautet: Wissen die eigentlich, was sie tun? Wenn die große humanitäre Geste von Anfang an begleitet worden wäre von großen humanitären Taten zur Integration der Geflohenen, wäre das Misstrauen den Handelnden gegenüber nicht in dem Maße gewachsen, wie es geschah. Eine „nationale Kraftanstrengung“, die diesen Namen verdient, wäre durchaus vermittelbar gewesen. Alle zweckoptimistischen Beschwichtigungen dagegen wirkten stets wie das Pfeifen im Walde.

Es kann sein, dass Bund und Länder sich an diesem Donnerstag einigen. Der Zeitdruck ist groß, einen Tag später tritt der Bundesrat zu seiner letzten regulären Sitzung vor der Sommerpause zusammen. Sollte es eine Verständigung geben, wird von einem zähen Ringen und schwierigen Kompromiss die Rede sein. Bis ins Vokabular hinein werden eher Assoziationen an Tarifverhandlungen geweckt als an die Lösung einer beispiellosen gesellschaftlichen Aufgabe.

Das kommt dabei heraus, wenn Krämerseelen Mitmenschlichkeit praktizieren. Die Leidtragenden sind am Ende die, die ohnehin das meiste Leid schon getragen haben.

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