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SPD-Politikerinnen Malu Dreyer, Andrea Nahles, Manuela Schwesig, Barbara Hendricks und Aydan Özoguz (von links nach rechts) Anfang Dezember bei der Vorstellung des 12-Punkte-Integrationsplans in der Bundespressekonferenz

© Kay Nietfeld/dpa

Update

Flüchtlinge in Deutschland: Regierung will von SPD-Integrationsplan nichts wissen

Im Dezember hatten drei SPD-Bundesministerinnen einen Zwölf-Punkte-Plan zur Integration von Flüchtlingen vorgelegt. Die Bundesregierung will damit aber offenbar nichts zu tun haben.

Von Matthias Meisner

Die Pläne waren anspruchsvoll: Einen Zwölf-Punkte-Plan für Integration stellten fünf prominente SPD-Politikerinnen Anfang Dezember in Berlin vor. Fünf Milliarden Euro mehr sollten demnach für die Eingliederung von Flüchtlingen ausgegeben werden. Doch nun zeigt sich: Das seinerzeit in der Bundespressekonferenz vorgestellte Konzept ist augenscheinlich das Papier nicht wert, auf dem es geschrieben ist. Auf eine parlamentarische Anfrage der Grünen im Bundestag erklärte Elke Ferner (SPD), Staatssekretärin im von Manuela Schwesig geführten Familienministerium, das Integrationskonzept "ist kein Plan der Bundesregierung".

Dabei hatte sich bei der Präsentation vor der Bundespressekonferenz alles noch so schön angehört: Im Bereich Bildung forderte Schwesig 80.000 zusätzliche Kita-Plätze und 20.000 zusätzliche Erzieherstellen. Arbeitsministerin Andrea Nahles wollte für 450 Millionen Euro jährlich 100.000 "Arbeitsgelegenheiten" nach dem Modell der Ein-Euro-Jobs schaffen, um Flüchtlingen niedrigschwellige Beschäftigungsmöglichkeiten zu bieten. Barbara Hendricks, als Ministerin auch zuständig für den Baubereich, plante Mehrausgaben von 1,3 Milliarden Euro für eine Förderung des Wohnungsbaus und sozialer Integration in Quartieren.

Beteiligt an dem Konzept waren neben den drei Bundesministerinnen die Integrationsbeauftragte der Bundesregierung, Aydan Özoguz und die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer, die bei der Landtagswahl im März ihren Posten verteidigen will. Die wehrte damals ab: "Wahlkampf hin oder her. Als Ministerpräsidentin habe ich mich früh für Integration stark gemacht."

42 Fragen haben die Grünen Mitte Dezember zu dem Integrationskonzept gestellt. Darunter diese: Warum wurde es erst nach Abschluss der Verhandlungen zum Bundeshaushalt veröffentlicht? Wie soll es umgesetzt werden? Welche konkreten Maßnahmen wurden ergriffen? Gab es schon Gespräche mit Vertretern der Bundesländer?

In der Sache nämlich fanden die Grünen-Politiker Katja Dörner und Konstantin von Notz die Forderungen der SPD-Politikerinnen gar nicht schlecht. Umso enttäuschter waren Dörner und von Notz, dass die Bundesregierung den Integrationsplan zwar auf ihrer offiziellen Webseite veröffentlicht hat, aber offenbar nicht ernsthaft an die Realisierung glaubt. Exakt sieben Zeilen umfasst die Antwort der Regierung auf den Fragenkatalog der Grünen. Es handele sich um "ein politisches Positionspapier" der beteiligten Politikerinnen, "mit der sie die Integration der Zuwanderinnen und Zuwanderer in Deutschland erleichtern möchten", schreibt Ferner. Und weiter: "Es ist nicht Aufgabe der Bundesregierung, das Papier und seine Entstehung zu kommentieren. Die Beantwortung der einzelnen 42 Fragen entfällt damit."

Kurios: Noch Mitte Dezember hatte die Regierung um Verständnis dafür gebeten, dass die Antwort auf die Fragen "aufgrund der notwendigen umfangreichen Beteiligungen und dem hohen Abstimmungsbedarf mit den Ressorts" nicht innerhalb der grundsätzlich vorgegeben 14-Tage-Frist möglich sei.

Grünen-Fraktionsvize Katja Dörner: Reine Show-Veranstaltung

Die Grünen werten die knappe Antwort der Regierung als "ungeheuerlichen Vorgang". Die SPD-Frauen hätten als Bundesministerinnen ein Papier vorgelegt, das null Rückhalt in der Regierung habe. Dass sich die Bundesregierung mehr oder weniger deutlich von dem Papier distanziere, gebe "interessante Einblicke in die derzeitige Verfasstheit der Regierungskoalition".

Fraktionsvize Katja Dörner sagte dem Tagesspiegel: "Jetzt ist es amtlich: Die Vorstellung eines Zwölf-Punkte-Integrationsplans von den SPD-Ministerinnen war eine reine Show-Veranstaltung." Mit allem Zipp und Zapp hätten die Politikerinnen der Öffentlichkeit Sand in die Augen gestreut und ein Programm vorgelegt, "wohlwissend, dass diese Vorschläge innerhalb der Bundesregierung keine Rolle spielen". Dörner erklärt weiter: "Dabei ist ein Integrationskonzept mehr als überfällig."

Auch für Konstantin von Notz, ebenfalls stellvertretender Grünen-Fraktionsvorsitzender, ist der Vorgang eine Steilvorlage für Kritik an der Bundesregierung: Die Nicht-Beantwortung der Fragen nennt von Notz "peinlich und entlarvend zugleich". Deutlich werde: "Die große Koalition ergeht sich lieber in Scheindebatten um Obergrenzen und neue Grenzzäune statt die tatsächlichen Probleme endlich anzugehen und dafür zu sorgen, dass die zu uns kommenden Menschen möglichst schnell und gut integriert werden. Seriöse Politik geht anders."

Schwesig: Forderungen konkretisieren

Familienministerin Schwesig hatte am 2. Dezember, einen Tag nach der Präsentation des Zwölf-Punkte-Plans, die konkrete Umsetzung der Integrationspapiers im Rahmen der Regierungsarbeit verlangt. Ihre Büroleiterin Bettina Martin schrieb damals eine Rundmail an die Abteilungsleiterinnen und Abteilungsleiter des Ministeriums, in der es hieß: "Es ist nun die Bitte der Ministerin, dass wir die Forderungen aus unseren Bereichen konkretisieren und sie mit Konzepten hinterlegen." Damit die Vorstellung des Integrationskonzepts "nicht als isolierte Aktion stehen bleibt, bittet die Ministerin, Vorschläge für die nächsten konkreten Schritte zum Untermauern unserer Forderungen zeitnah zu entwickeln". Diese müssten dann auch im Rahmen der politischen Planung mit berücksichtigt und eingeplant werden.

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