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Die Spitzen der EU, darunter Kanzlerin Angela Merkel, haben einen Plan vereinbart, um das Chaos auf der Fluchtroute über den Balkan zu stoppen.

© dpa/EPA/Olivier Hoslet

Update

Flüchtlinge in Europa: EU vereinbart 100.000 Aufnahmeplätze auf der Balkanroute

Ein EU-Sondergipfel hat einen Plan beschlossen, um das Chaos auf der Fluchtroute über den Balkan zu beenden. Der deutsche Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier wertet das als ersten Schritt.

Keine nationalen Alleingänge mehr, 100.000 Aufnahmeplätze für Flüchtlinge und 400 Grenzschützer für Slowenien: Die Teilnehmer eines Sondergipfels zur Balkanroute haben in der Nacht zum Montag in Brüssel vereinbart, die "Politik des Durchwinkens" von Flüchtlingen auf der Strecke zwischen Griechenland und Deutschland beenden zu wollen. Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) wertete die Gipfelergebnisse als "Beitrag zu einem vernünftigen Umgang" mit der Flüchtlingsfrage, auch wenn die Krise damit noch nicht bewältigt sei.

Die chaotischen Zustände entlang der Balkanroute könnte "nicht durch nationales Vorgehen allein" gelöst werden, heißt es in einem von acht EU-Länder sowie den Balkanstaaten Serbien, Mazedonien und Albanien vereinbarten 17-Punkte-Plan. Nötig sei "ein entschlossener, grenzüberschreitender Ansatz im europäischen Geist". Die bisherige Praxis entlang der Balkanroute, "Flüchtlinge durchzuwinken" und etwa in Zügen und Bussen zur nächsten Grenze zu bringen, sei "nicht hinnehmbar".

"Nachbarn sollten zusammenarbeiten und nicht gegeneinander", sagte EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, der das Treffen nach eigenen Angaben auf Merkels Anregung einberufen hatte. Es gehe darum, "eine sich anbahnende und zum Teil schon existierende humanitäre Krise abzuwenden". Merkel sagte, es sei wichtig, zu einem geordneten und gesteuerten Management in der Flüchtlingskrise zu kommen.

Peter Altmaier (CDU): "Wir müssen Schluss machen mit dem ungeordneten Durchströmen"

Kanzleramtsminister Peter Altmaier (CDU) wertet die Ergebnisse des EU-Sondertreffens vom Sonntag als ersten Schritt zu einer abgestimmten europäischen Flüchtlingspolitik. „Wir müssen Schluss machen mit dem ungeordneten Durchströmen von Griechenland bis nach Deutschland“, sagte Altmaier am Montag im ZDF-„Morgenmagazin“. In Brüssel sei nun vereinbart worden, dass kein Land auf der Westbalkanroute ohne Zustimmung des Ziellandes weiterhin Flüchtlinge durchleitet.

Zudem seien Beschlüsse gefasst worden, um eine menschenwürdige vorläufige Unterbringung und Registrierung der Menschen zu erreichen. Die Registrierung wiederum sei Voraussetzung dafür, die Menschen entsprechend der Pläne der EU-Kommission auf die Mitgliedsstaaten zu verteilen, sagte Altmaier, der in der Bundesregierung die Flüchtlingspolitik koordiniert.

Dramatisch war die Lage zuletzt in Slowenien, wo in den vergangenen Tagen zehntausende Flüchtlinge ankamen, nachdem Ungarn seine Grenzen zu Serbien und Kroatien mit einem Zaun dicht gemacht hatte. Der slowenische Regierungschef Miro Cerar hatte zum Auftakt des Treffens gewarnt, ohne schnelle und konkrete Lösungen könnten "die EU und Europa als Ganzes beginnen auseinanderzubrechen". Die Gipfelteilnehmer beschlossen die Entsendung von 400 Grenzschützern nach Slowenien innerhalb einer Woche.

Ungarns rechtskonservativer Regierungschef Viktor Orban fühlte sich dagegen im Bau der Grenzzäune in seinem Land bestätigt: Ungarn befinde sich nun "nicht mehr auf der Route" der Flüchtlinge, sagte er. Er sei deshalb "nur Beobachter" bei dem Gipfeltreffen. Der 17-Punkte-Plan sieht nun "einen permanenten Austausch von Informationen" zwischen den betroffenen Regierungen vor. Um Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge zu verbessern, sollen betroffene Länder notfalls auch den Zivilschutz-Mechanismus der EU auslösen, heißt es in dem Text, der von den acht EU-Ländern Bulgarien, Deutschland, Griechenland, Kroatien, Österreich, Ungarn, Rumänien und Slowenien mitgetragen wurde. Von den 100.000 Plätzen zur Aufnahme und Registrierung sollen 50.000 in Griechenland entstehen, wo der Großteil der Flüchtlinge über die Türkei als erstes in der EU ankommt. 30.000 der Plätze sollen noch in diesem Jahr geschaffen werden, 20.000 weitere sollen später folgen Die anderen 50.000 Plätze sollen in den Ländern entlang der Balkanroute nach Norden entstehen.

Die EU hat in der Flüchtlingsfrage versagt. Es stellt sich die Frage, was diese Institution taugt. In einer Krisensituation ist sie sofort zerfallen in nationale Egoismen. Diese Art von EU ist wertlos und hat keine Zukunft.

schreibt NutzerIn 2010ff

Eine zentrale Rolle soll dabei das UN-Flüchtlingshilfswerk UNHCR leisten. Die Aufnahmeplätze könnten helfen, die Flüchtlingsbewegungen "besser zu bewältigen und vorhersehbarer zu machen", sagte UN-Flüchtlingskommissar António Guterres bei dem Treffen. Österreichs Bundeskanzler Werner Faymann sagte jedoch, die 50.000 Plätze für den Winter auf dem Balkan seien "natürlich zu wenig, wenn man die Zahlen der letzten Wochen sieht".

Bessere Grenzkontrollen

Darüber hinaus wollen die Gipfelteilnehmer ihre Anstrengungen verstärken, "die Kontrolle über unsere Grenzen wiederzuerhalten". Dazu soll unter anderem die Mittelmeer-Mission "Poseidon" zwischen Griechenland und der Türkei ausgebaut werden. Die EU-Grenzagentur Frontex kommt zur Unterstützung verstärkt oder erstmals an mehreren Grenzen auf der Route zum Einsatz - auch um bei der Registrierung von Flüchtlingen zu helfen.

Gesprochen wurde Merkel zufolge erneut auch über die zentrale Rolle der Türkei, die wichtiger Transitpunkt für viele Flüchtlinge beim Weg in die EU ist, sowie über die Notwendigkeit, mit Ländern wie Bangladesch, Pakistan und Afghanistan eine Rückführung von nicht asylberechtigten Flüchtlingen zu erreichen. Die Flüchtlingskrise sei "eine der größten Bewährungsproben", der sich Europa ausgesetzt sehe, sagte Merkel. Es werde noch "viele weitere Schritte" brauchen, um diese zu bestehen. Der Präsident des Europäischen Parlaments, Martin Schulz (SPD), sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wir haben es mit einer extremen Herausforderung zu tun, die ich in meinem politischen Leben so noch nicht erlebt habe.“ (AFP/epd/KNA)

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