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Auf einem Zuganhänger versuchten Flüchtlinge in Idomeni, eine Blockade der Polizei zu durchbrechen.

© Stoyan Nenov/REUTERS

Update

Flüchtlinge in Idomeni: Tsipras verurteilt Einsatz von Gummigeschossen als "Schande"

Während sich in der Ägäis die Lage entspannt, ist in Idomeni die Lage explosiv. In Athen wächst die Sorge über die Radikalisierung der Migranten.

Die Spannungen im Flüchtlingslager Idomeni an der mazedonischen Grenze steigen. Es stehe „auf Messers Schneide“, sagt der Bürgermeister der Region, Christos Goudenoudis.

Am Sonntag hatten Migranten versucht, gewaltsam den mazedonischen Grenzzaun zu überwinden, um sich den Weg nach Mitteleuropa freizukämpfen. Sie zerstörten einen Teil des Zauns und schleuderten Steine auf die mazedonischen Sicherheitskräfte. Die mazedonische Polizei setzte Tränengas, Blendgranaten und Gummigeschosse ein.

Bei den Auseinandersetzungen seien mindestens 300 Migranten und 23 mazedonische Polizisten verletzt worden, teilten Behörden und humanitäre Organisationen mit. „Wir haben auch drei Kinder behandelt, die durch Gummigeschosse verletzt waren“, sagte im griechischen Staatsfernsehen (ERT) der Sprecher der Organisation Ärzte ohne Grenzen, Apostolos Weisis. Der griechische Ministerpräsident Alexis Tsipras hat den Einsatz von Gummigeschossen gegen Migranten scharf kritisiert. „Das ist eine Schande für die europäische Kultur“, sagte Tsipras am Montag in Athen. Er wolle sehen, was EU-Behörden, internationale Organisationen und das UN-Flüchtlingshilfswerk dazu zu sagen haben.

Bürgermeister fordert Evakuierung von Idomeni

Auch der griechische Staatspräsident Prokopis Pavlopoulos kritisierte das Vorgehen der mazedonischen Polizei gegen Migranten scharf. Die Vorfälle am Sonntag am griechisch-mazedonischen Grenzzaun seien unvorstellbar und unzulässig, sagte er am Montag in Athen bei einer Pressekonferenz, wie der Fernsehsender Skai berichtete. „Mit solchem Verhalten gegen Flüchtlinge hat das Nachbarland weder Platz in der EU, noch in der Nato“, so Pavlopoulos.

Der Minister für Bürgerschutz, Nikos Toskas, warnt vor einer Radikalisierung wütender Migranten. Die Leute, die man heute schlage, „könnten die Dschihadisten von morgen“ sein, sagte er im Nachrichtensender Skai. Der Umgang mit den Protestierenden müsse gut überlegt sein. Islamische Extremisten könnten unter den verzweifelten Menschen Mitkämpfer rekrutieren. Die Migranten im wilden Lager von Idomeni weigerten sich auch am Montag, in die offiziellen Aufnahmelager zu gehen. Sie wollen ihre Weiterreise nach Mitteleuropa erzwingen. Der Bürgermeister Goudenoudis forderte die Evakuierung des Camps bis Ende des Monats. Anderenfalls könnte es zu noch schlimmeren Zwischenfällen kommen als am Sonntag, sagte er Skai.

Zahl der Flüchtlinge aus der Türkei nimmt stark ab

In Piräus versuchten Vertreter der Regierung und Beamte der Küstenwache die Lage in dem dortigen wilden Lager mit 4500 Migranten zu entspannen. Sie hofften, 800 Menschen in ein organisiertes Lager zu bringen, berichteten Reporter vor Ort. 

Derweil nimmt die Zahl der Flüchtlinge, die aus der Türkei nach Griechenland kommen, drastisch ab: Innerhalb von 24 Stunden hätten nur noch 18 Migranten übergesetzt, teilte am Montag der Stab für die Flüchtlingskrise in Athen mit. Am Vortag waren 162 und am Tag davor 120 Menschen vom türkischen Festland auf griechische Ägäis-Inseln übergesetzt. 

Vergangenen Montag und am Freitag waren erstmals im Rahmen des EU-Türkei-Flüchtlingspaktes jeweils 202 und 123 Migranten von den Inseln Lesbos und Chios in die Türkei zurückgeschickt worden. Weitere Rückführungen gab es zunächst nicht, weil die Flüchtlinge nun Asylanträge stellen, die bearbeitet werden müssen. Nach Schätzungen des Krisenstabes sind seit der Schließung der sogenannten Balkanroute rund 53 000 Flüchtlinge und Migranten in Griechenland gestrandet.

Nach dem Flüchtlingspakt der EU mit Türkei sollen alle Migranten, die seit dem 20. März illegal in Griechenland eingereist sind, in die Türkei zurückgeführt werden. Ausgenommen sind nur Asylsuchende, die nachweisen können, dass sie in der Türkei verfolgt werden. (dpa)

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