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Politik: Flüchtlinge nach Fuerteventura

Einwohner protestieren gegen neues Internierungslager

Das Flüchtlingselend auf der kanarischen Urlaubsinsel Fuerteventura ist gut versteckt: Hinter fünf Meter hohen Mauern, gesichert mit Sensoren und Kameras. Ein Hochsicherheitstrakt, in dem derzeit rund 750 verzweifelte Seelen aus Afrika, dem ärmsten Kontinent der Welt, daran gehindert werden, ihr Glück im gelobten Land, dem reichen Europa zu suchen. „Militärische Zone. Zutritt verboten", prangt am mächtigen Eisentor.

Eine wahre Festung, von der aus früher die spanische Fremdenlegion die Kanarischen Inseln bewachte. In der jetzt das größte Internierungslager Spaniens, wenn nicht Europas installiert wurde. Nur wenige Wochen wird es dauern, bis das umfunktionierte Kasernenlager, in dem 1200 Flüchtlinge Platz haben, bis auf den letzten Quadratmeter gefüllt ist. „Das ist erst der Anfang", macht eine Bürgerinitiative Stimmung gegen das Flüchtlingslager auf der Urlaubsinsel.

Die wackeligen Flüchtlingsboote, die von der eine Tagesreise entfernten marokkanischen Küste ablegen, kommen fast im Stundentakt an. Mal sind es zehn Afrikaner, die als Armutstreibgut an den Stränden landen. Mal 200, die gleich mit einer Armada von Schlauchbooten kommen. Und nicht selten enden die ausgemergelten Passagiere nicht im Internierungslager, sondern auf dem Friedhof. Wie jene 12 Flüchtlingsleichen, die Mitte Januar antrieben. Hunderttausende, so wird aus Marokko gemeldet, warten auf afrikanischer Seite auf ihre Fluchtchance.

Wie viele Flüchtlinge diese dramatische Passage wagen, weiß niemand. Geschätzt wird, dass jedes Jahr für etwa tausend afrikanische Boatpeople die Reise auf dem Meeresgrund endet. Relativ sicher weiß man nur, wie viele illegale Einwanderer von der spanischen Grenzpolizei auf den Kanaren eingesammelt werden, und dass es immer mehr werden: Im Jahr 2001 waren es rund 4000, in 2002 annähernd 8000 und im laufenden Jahr 2003 könnten es fast 20 000 werden. Meist Schwarzafrikaner, Marokkaner und Algerier. Nur die Hälfte wird zwangsweise repatriiert.

Fuerteventura und die umliegenden kanarischen Inseln sind über Nacht zum wichtigsten Einfallstor nach Europa für die illegale Einwanderung geworden. Weil die Europäische Union die Meeresenge von Gibraltar, über die früher der Menschenschmuggel abgewickelt wurde, weitgehend dicht machte.

Nun wächst unter den 40 000 Einwohnern Fuerteventuras die Angst vor der Flut der Flüchtlinge und dem Kollaps des paradiesischen Ferieneilandes. Konservative Inselpolitiker fordern schon den Einsatz der Armee, um die Welle der Einwanderer abzuwehren. Doch offenbar hat sich in den Flüchtlingsländern herumgesprochen, dass die Einreise nach Europa über Fuerteventura bisher noch chancenreich ist. Wer ohne Papiere kommt, kann meist nicht in die Heimat zurückverfrachtet werden. „Wir bringen sie unter, und dann bezahlen wir ihnen eine Flugreise aufs spanische Festland", erläutert ein Behördensprecher. „Und das ist zunächst das einzige Ziel, welches diese Menschen haben.“

Ralph Schulze[Madrid]

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