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Mehr als hundert Männer, Frauen und Kinder sind vor der Küste Italiens ums Leben gekommen.

© AFP

Flüchtlingsdrama vor Lampedusa: EU debattiert über Konsequenzen

Nach dem Flüchtlingsdrama vor der italienischen Küste geht die Debatte um die politischen Konsequenzen weiter. Forderungen werden lauter, dass Einwanderungs- und Entwicklungspolitik auf den Prüfstand gestellt werden müssen. Unterdessen wurden zehn weitere Todesopfer am Unglücksort geborgen.

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Nach der Flüchtlingstragödie vor der italienischen Insel Lampedusa stellt die EU ihre Einwanderungspolitik auf den Prüfstand. Frankreich kündigte am Sonntag an, das Thema auf die Agenda des EU-Gipfels Ende Oktober zu setzen. Die EU-Kommissarin für humanitäre Hilfe, Kristalina Georgieva, mahnte offenere Grenzen an. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso will die Insel am Mittwoch besuchen. Zehn weitere Todesopfer wurden bis Sonntagmittag geborgen.

Der Europaabgeordnete Elmar Brok (CDU) hat kritisiert, dass in Europa aber auch in Deutschland „die innere Sicherheit nicht ausreichend mit der Entwicklungspolitik verbunden“ werde. „Jeder hat sein Einzelthema. Was völlig fehlt, ist es, die Themen zusammen zu denken“, sagte er dem "Tagesspiegel". Brok sieht mit Blick auf den Bürgerkrieg in Syrien und, „wenn wir Pech haben auch in Ägypten“, große Flüchtlingsbewegungen auf Europa zukommen. 

Entwicklungsminister Dirk Niebel (FDP) sagte zum Drama vor der italienischen Insel: "Die Katastrophe von Lampedusa zeigt vor allem, wie wichtig Entwicklungspolitik für bessere Chancen der Menschen in ihren Heimatländern ist. Sie zeigt aber auch, dass wir eine gemeinsame europäische Migrations- und Flüchtlingspolitik brauchen."

Frankreichs Außenminister Fabius verlangt mehr Geld für Frontex

Der französische Außenminister Laurent Fabius betonte, dass es „sehr wahrscheinlich“ sei, dass Paris die Flüchtlingsfrage auf die Agenda des EU-Gipfels Ende Oktober setzen werde. Der Empörung müssten nun Taten folgen. Nötig sei eine Aufstockung der Entwicklungshilfe und ein strengeres Vorgehen gegen die Schlepper. Darüber hinaus verlangte Fabius mehr Geld für die EU-Grenzagentur Frontex, deren Jahresbudget von 50 bis 60 Millionen bei Weitem nicht ausreiche. Die EU-Staaten müssten schnell „die richtige Antwort finden“, mahnte Frankreichs Regierungschef Jean-Marc Ayrault. „Mitgefühl genügt nicht.“ Über die politischen Konsequenzen der Tragödie soll auch am Dienstag bei dem Treffen der EU-Innenminister in Luxemburg diskutiert werden. EU-Kommissarin Georgieva sagte der Tageszeitung „Die Welt“, die Europäer müssten nicht nur „die Herzen und die Geldbeutel“ offen halten, sondern auch ihre Grenzen. Die EU basiere auf Solidarität: „Das bedeutet, dass wir Menschen willkommen heißen müssen, wenn sie unsere Hilfe brauchen.“ Italiens Ministerpräsident Enrico Letta kündigte an, EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso werde sich am Mittwoch auf Lampedusa ein Bild von der Lage machen.

Friedrich verteidigt Grenzpolitik der EU

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich verteidigte hingegen die Grenzpolitik der EU. „Wir alle sind erschüttert von den dramatischen Bildern aus Lampedusa. Der Vorwurf, dass sich Europa abschottet, ist jedoch falsch“, sagte Friedrich der „Welt am Sonntag“. Allein Deutschland habe in diesem Jahr „schon annähernd 80.000 Menschen Zuflucht gewährt“. Italiens Integrationsministerin Cécile Kyenge kündigte unterdessen erste konkrete Schritte an. Sie plane, die Kapazität der Flüchtlingslager langfristig auf 24.000 Betten zu verdreifachen. Auch die Bestrafung von illegalen Einwanderern und denjenigen, die ihnen zur Hilfe kommen, müsse überdacht werden.

Die Rettungskräfte nahmen am Sonntag die Suche nach den Opfern des Unglücks wieder auf. Sie bargen zehn weitere Leichen, wie die Nachrichtenagentur Ansa meldete. Damit erhöhte sich die Zahl der bestätigten Todesopfer auf 121. Nur 155 Bootsinsassen konnten gerettet werden. Da die genaue Zahl der Passagiere nicht bekannt ist, gehen die Behörden davon aus, dass zwischen 320 und 360 Flüchtlinge bei dem Unglück ums Leben kamen.

Zeugen warfen der Küstenwache am Wochenende vor, zu spät reagiert zu haben. Bis zum Eintreffen der Rettungskräfte seien 45 Minuten verstrichen, sagte ein Fischer, der mit einem Boot in der Nähe des gekenterten Schiffs unterwegs war und den Opfern zur Hilfe kam. Die Küstenwache wies dies zurück. Der erste Notruf sei um 7.00 Uhr eingegangen, 20 Minuten später seien die Retter vor Ort gewesen. (mit AFP)

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