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Italiens Premierminister Matteo Renzi.

© AFP

Flüchtlingskrise und Erdbeben: Streit zwischen Italien und EU-Kommission um Haushaltsplan

Italien erwartet für 2017 ein Defizit von 2,3 Prozent, vorausgesagt gewesen waren 2 Prozent. Premier Matteo Renzi verweist auf die Kosten der Flüchtlingskrise und greift die unwilligen Länder im Osten der EU massiv an.

Italiens Ministerpräsident Matteo Renzi hat Europa mit einer Blockade des gemeinsamen Haushalts gedroht, falls nicht auch die osteuropäischen Länder mehr Flüchtlinge aufnehmen. „Wenn Ungarn und die Slowakei uns eine Moralpredigt über unser Geld halten, aber nicht in der Flüchtlingsfrage anpacken, dann geht das nicht“, sagte der Regierungschef und Linksdemokrat im staatlichen Fernsehsender Rai und spielte damit auf den Haushaltsansatz seiner Regierung an, der über der von der EU erlaubten Grenze liegt. Wenn andere Länder die Türen für Migranten öffneten, dann könne Italien auch seine Ausgaben senken, sagte Renzi.
Am Dienstag hatte die EU-Kommission in Brüssel Finanzminister Pier Carlo Padoan um eine Erklärung dafür gebeten, warum Italiens Defizit nun deutlich höher ausfallen soll als noch im Mai versprochen. Ähnliche Schreiben erhielten Padoans Kollegen in Finnland, Zypern, Spanien, Portugal und Litauen. Renzi hatte schon zuvor unwirsch reagiert und angekündigt, er werde „auf die Bedürfnisse der italienischen Bürger eingehen, nicht auf die Brüsseler Technokratie“ – was ihm einen indirekten Verweis des Staatspräsidenten eintrug. Kritik an Europa dürfe hart, solle aber immer konstruktiv sein, sagte Sergio Mattarella. Italien erwartet für 2017 ein Defizit von 2,3 Prozent, vorausgesagt gewesen waren 2 Prozent. Der Haushaltsentwurf des hoch verschuldeten Landes muss von der EU-Kommission abgesegnet werden. Premierminister Matteo Renzi führt das höhere Defizit auf die Kosten der Flüchtlingskrise und des schweren Erdbebens vom August in Mittelitalien zurück.

Italien ist allerdings in der Tat durch seine geografische Lage wieder ins Zentrum der Flüchtlingsbewegungen gerückt. Während durch die Blockade der sogenannten Balkanroute der Weg nach Europas Norden für Schutzsuchende seit Monaten so gut wie verschlossen ist, nutzen sie den gefährlichen Weg übers Mittelmeer wieder verstärkt: Nach italienischen Zeitungsberichten ist 2016 auf dem Wege zum neuen Rekordjahr der Flüchtlingszahlen: Zehn Prozent mehr Menschen kamen bisher nach Italien als in den ersten neun Monaten 2015. Schon jetzt lägen die Zahlen um 1300 Menschen über der Gesamtzahl des bisherigen Rekordjahrs 2014. Allein am Mittwoch wurden demnach 4 300 Neuankömmlinge an den Küsten Siziliens und Kalabriens gezählt, berichtet die römische Zeitung „La Repubblica“. Renzi warnte, Italien werde „kein weiteres Jahr wie dieses überstehen“. Augenblicklich sei die Lage an den Küsten noch beherrschbar, auch weil der Winter nahe sei und weniger Menschen ankämen. „Wir haben aber allerhöchstens noch sechs Monate.“ Die italienische Küstenwache und Marine, so Renzi, habe für ihr Engagement eigentlich den Friedensnobelpreis verdient.

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