zum Hauptinhalt
Große Herausforderung. Horst Seehofer, Angela Merkel und Sigmar Gabriel haben am Donnerstagabend ihren neuen Asylkompromiss erklärt.

© Fabrizio Bensch/REUTERS

Flüchtlingspolitik: Horst Seehofer könnte zufrieden sein

Der CSU-Chef hat in der Flüchtlingspolitik wochenlang auf symbolträchtige Abschreckungsmaßnahmen gepocht. Das hat Erwartungen geschürt und lässt ihn beim neuen Asyl-Kompromiss nicht so toll aussehen.

Von Robert Birnbaum

Die ganze Zeit hat Sigmar Gabriel ernst, ja staatstragend dreingeblickt, aber jetzt kriecht ein leises Schmunzeln in seine Mundwinkel: Der SPD-Chef steht im Kanzleramt, neben ihm die Hausherrin, noch eins weiter der CSU-Vorsitzende. Horst Seehofer erklärt die Einigung der Koalition auf – keine Transitzonen. „Besondere Aufnahme-Einrichtungen“ heißt jetzt das, was der CSU-Chef seit Wochen gefordert hat.

Gabriel muss schmunzeln - Seehofer muss erklären

So lang der Begriff ist, so lange braucht Seehofer, seinen Inhalt darzulegen. Er wirkt ein bisschen mitgenommen dabei. Gemessen an dem, was der Bayer in der Sache wollte, ist die Vereinbarung gar nicht so schlecht. Doch nach dem Krawall, den er vorher geschlagen hat, wirkt sie ein paar Nummern zu klein.

Einigkeit. Die drei Parteichefs von CSU, CDU und SPD haben einen gemeinsamen Weg in der Flüchtlingspolitik gefunden.
Einigkeit. Die drei Parteichefs von CSU, CDU und SPD haben einen gemeinsamen Weg in der Flüchtlingspolitik gefunden.

© Odd Andersen/AFP

Was die drei Parteichefs am Donnerstag im zweiten Anlauf präsentieren, ist eine Art Transitzone light. Bewerber, die aus sicheren Herkunftsländern etwa vom Balkan stammen oder aus anderen Gründen wenig Aussicht auf Asyl haben, werden künftig nur noch in drei bis fünf speziellen Zentren aufgenommen. Dort soll, wie im Flughafenverfahren, über ihren Antrag binnen drei Wochen entschieden werden, Gerichtsentscheid inklusive. Wer abgelehnt wird, soll direkt abgeschoben werden.

So weit entspricht das alles dem „Transitzonen“-Modell. Anders als am Flughafen gelten die neuen Einrichtungen aber nicht als exterritoriales Gebiet, und die Asylbewerber werden dort auch nicht hinter Mauern, Zäunen und Toren festgehalten. Sanfter Zwang soll sie dazu bringen, sich dem Schnellverfahren zu stellen: Wer nicht mitmacht, bekommt keine Leistungen, und der Asylantrag wird gestoppt. Wer das Verfahren vermeiden will, landet mittellos in der Illegalität.

Die Idee stammt übrigens von Merkels Flüchtlingskoordinator Peter Altmaier. Die SPD hat sie letzte Woche übernommen, ohne das Copyright dranzuschreiben. Deshalb sieht das beschlossene Modell jetzt relativ sozialdemokratisch aus. Gabriel verstärkt diesen Eindruck: Er sei „dankbar“, sagt der SPD-Chef, dass man jetzt „keine komplizierten Wege über das Landgrenzenverfahren“ gehe und auch „Haftgedanken“ keine Rolle spielten.

Auch Seehofer wollte keine Haftanstalten - aber alle trauten es ihm zu

„Wir hatten nie irgendwo vorgeschlagen eine Haft“, wendet Seehofer ein. „Ich kann ja nicht etwas dementieren, was nie vorgeschlagen war von uns!“ Dass die Bayern „Massenhaftanstalten“ an der Grenze wollten, hat wirklich kein Bayer je behauptet, dafür um so lauter die Sozialdemokraten. Das Dumme ist, dass Seehofer wochenlang derart im „Notwehr“-Tonfall auf symbolträchtige Abschreckungsmaßnahmen gepocht hat, dass man es ihm zugetraut hätte. Immerhin, die ersten zwei der bis zu fünf Nicht-Transitzonen werden in Bayern eingerichtet, in Manching und Bamberg. Das ist praktisch, findet auch Seehofer, weil Bayern dort heute schon die Asylbewerber ohne große Erfolgschancen konzentriert. Im ganzen Transitzonenstreit ist ja ohnehin ein wenig untergegangen, dass eine Sonderbehandlung für diese Flüchtlingsgruppe längst beschlossen ist – erst von den Länder-Innenministern, dann von den Ministerpräsidenten beim letzten Treffen mit Merkel. Neu ist der sanfte Zwang, neu ist das Tempo.

Das kann sich Seehofer auf dem Habenkonto verbuchen. „Mir liegt an dieser schnellen Verfahrensweise sehr viel“, betont er. Zudem hat Gabriel einigen Forderungen zugestimmt, die aus Merkels und Seehofers unionsinterner Friedensvereinbarung vom Wochenende stammen: Zwei Jahre kein Familiennachzug für nur geduldete Flüchtlinge oder eine „angemessene Eigenbeteiligung“ an den Kosten von Sprach- und Integrationskursen.

Seehofer könnte also zufrieden sein – wenn nicht die Erwartungen wären, die er selbst geweckt hat. Und er weiß das. Wenn er sich durchgesetzt hat, pflegt der CSU-Chef zu erklären, dass er „sehr zufrieden“ sei. Diesmal bleibt das Selbstlob auffällig bescheiden: „Ich bezeichne das, was wir heute vereinbart haben, als gut.“

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false