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In Dresden wurde innerhalb von zwei Tagen ein Zeltlager für rund 1100 Flüchtlinge eingerichtet.

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Flüchtlingspolitik: Länder fordern mehr Geld vom Bund

Angesichts steigender Asylbewerberzahlen fordert NRW-Innenminister Ralf Jäger eine Pro-Kopf-Unterstützung vom Bund. Die SPD signalisierte mit Blick auf den Balkan die Bereitschaft, über "sichere Herkunftsländer" zu diskutieren.

Zwischen Bund und Ländern zeichnet sich eine neue Auseinandersetzung um die Finanzierung der Versorgung von Flüchtlingen ab. Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller sowie Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (beide SPD) forderten am Montag eine Pro-Kopf-Unterstützung durch den Bund anstelle einer starren Summe, um Bundesländer und Kommunen angesichts der steigenden Asylbewerberzahlen dauerhaft zu entlasten. In der Debatte um die Regelung des Zuzugs vom West-Balkan reichen die Vorschläge von einer Wiedereinführung der Visumspflicht bis hin zu Einwanderungsangeboten.

NRW-Innenminister Jäger sagte der in Düsseldorf erscheinenden „Rheinischen Post“, die Bundesregierung werde ihre Prognose von 450.000 Asylbewerbern in diesem Jahr noch einmal deutlich nach oben korrigieren müssen. „Das beste wäre, wenn der Bund eine Pauschale je Flüchtling übernimmt“, sagte Jäger: „Das würde die kommunalen Haushalte sofort entlasten.“ Ähnlich äußerte sich der Berliner Bürgermeister Müller im „Morgenmagazin“ der ARD. Wenn die Flüchtlingszahlen steigen, müsse sich auch die Summe erhöhen, mit der der Bund hilft.

Der Bund hat die Finanzhilfen auf eine Milliarde Euro verdoppelt

Der Bund hatte den Ländern im Juni zugesagt, die Finanzhilfen in diesem Jahr auf eine Milliarde Euro zu verdoppeln und ab 2016 dauerhaft in die Finanzierung der Flüchtlingsversorgung einzusteigen. Details dazu soll eine Bund-Länder-Arbeitsgruppe klären.
Ein Sprecher des Innenministeriums äußerte sich am Montag in Berlin zurückhaltend zu der Länder-Forderung nach Pro-Kopf-Zuweisungen. Er verwies darauf, dass 500 Millionen Euro von der im Juni verabredeten Milliarde bereits freigegeben worden seien. Im August entscheide das Bundeskabinett über die zweiten 500 Millionen Euro. Über weitere Maßnahmen werde im Herbst die Arbeitsgruppe beraten.

Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) regte unterdessen ein „maßgeschneidertes Einwanderungsangebot“ für Menschen vom West-Balkan an. „Wir könnten Einwanderungskorridore für die hiesigen Mangelberufe, etwa für das Pflegepersonal, schaffen“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“. Der West-Balkan gehöre zu Europa und müsse stabilisiert werden. Asyl-Anträge etwa von Serben, Kosovaren und Albanern haben in Deutschland in der Regel keine Aussicht auf Erfolg. Um Armut und Perspektivlosigkeit in ihrer Heimat zu entkommen, zieht es sie dennoch nach Westeuropa.

Unions-Fraktionsvize Michael Kretschmer (CDU) unterstützte die Forderung nach einer Visumspflicht für Menschen vom Balkan. Er sagte dem Radiosender "MDR info", die Anerkennungsquote für Asylbewerber aus diesen Ländern sei sehr gering: „Diese rund 80.000 Personen im Jahr sorgen aber für eine große Belastung in den Kommunen und verhindern, dass wir uns um die wirklich Schutzbedürftigen kümmern.“

Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Fraktionsvorsitzender, ist offen für Gespräche über "sichere Herkunftsländer" von Flüchtlingen.
Thorsten Schäfer-Gümbel, SPD-Fraktionsvorsitzender, ist offen für Gespräche über "sichere Herkunftsländer" von Flüchtlingen.

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Die SPD will sich der Debatte über eine Einstufung weiterer Balkan-Staaten als „sichere Herkunftsländer“ nicht verschließen. Seine Partei sei grundsätzlich offen, darüber zu reden, sagte SPD-Vize Thorsten Schäfer-Gümbel am Montag in Berlin. Allerdings halte er die Vorstellung für Unfug, dass eine solche Einstufung allein das Problem der Flüchtlingsbewegung lösen könne. Schäfer-Gümbel sagte, die Balkan-Staaten bräuchten eine Perspektive für Wachstum und Wohlstand. Außerdem müsse Deutschland den Menschen von dort legale Zuwanderungswege aufzeigen - etwa zum Arbeiten. Deshalb sei es wichtig, die Debatte über „sichere Herkunftsländer“ mit der Diskussion über ein Einwanderungsgesetz zu verknüpfen. Die SPD fordert seit langem ein solches Gesetz, um die Zuwanderungsregeln einfacher und übersichtlicher zu machen. Schäfer-Gümbel sagte, es sei gut, dass sich die Union in dieser Frage inzwischen bewege. Er mahnte aber: „Wenn die Union die Einwanderungsdebatte darauf reduzieren will, bestehende Gesetze schlicht und einfach unter einer neuen Überschrift zusammenzuführen, ist das ein Trippelschritt (...). Das reicht uns ganz definitiv nicht.“ Angesichts schnell steigender Flüchtlingszahlen hat Nordrhein-Westfalen eine Öffnung ungenutzter Bundeswehrkasernen für Flüchtlinge gefordert. Städte und Gemeinden stünden vor der riesigen Herausforderung, schutzsuchenden Menschen ein Dach über dem Kopf zu bieten, sagte Landesinnenminister Ralf Jäger (SPD). „Der Bund muss rasch dafür sorgen, dass geeignete leerstehende Bundeswehrkasernen für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden können“, sagte Jäger am Montag der Deutschen Presse-Agentur.

Das Verteidigungsminister hatte sich dazu schon bereiterklärt. „Die Bundeswehr prüft gerade, in welcher Form sie logistische Unterstützung leisten kann“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums der Deutschen Presse-Agentur. „Bisher hat die Bundeswehr deutschlandweit acht Kasernen mit einer Kapazität für 3500 Menschen zur Verfügung gestellt“, erläuterte er.

Baden-Württemberg will unterdessen die Zahl der Erstaufnahmeplätze für Flüchtlingen drastisch erhöhen. Es sei geplant, die Zahl von derzeit rund 9000 auf rund 20 000 im nächsten Jahr hochzufahren, hieß es am Montag aus Regierungskreisen. Zudem wolle die Landesregierung darauf hinarbeiten, dass bestimmte Gruppen wie zum Beispiel Bürgerkriegsflüchtlinge aus Syrien möglichst gar nicht erst in Landeserstaufnahmen (Lea) kommen, sondern umgehend in die Kommunen verteilt werden. Auf die Weise könnten die Einrichtungen entlastet werden, hieß es. Das Land kläre derzeit mit dem Bund ab, ob und wie solche Schnellverfahren möglich sein können. Unterdessen begann am Montag in Stuttgart ein Flüchtlingsgipfel mit rund 70 Teilnehmern. Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) hatte angesichts steigender Flüchtlingszahlen und Probleme zu dem Treffen eingeladen. (epd/dpa)

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