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Flüchtlingswelle: Brüssel und Berlin zu Grenzkontrollen bereit

Als "letztes Mittel in wahrhaft kritischen Situationen" könnte die EU vorübergehende Grenzkontrollen im Schengenraum einführen. Die Bundesregierung signalisiert Zustimmung, stellt jedoch Bedingungen.

Als Reaktion auf die Umwälzungen in Nordafrika und die damit verbundene Zuwanderung definiert die Europäische Union ihre Asyl- und Einwanderungspolitik neu. Die EU-Kommission präsentiert dazu am Mittwoch ein Papier, das dem Tagesspiegel vorliegt. Darin schlägt Brüssel auch geringfügige Änderungen an den Regeln für den gemeinsamen Schengenraum vor. Als „letztes Mittel in wahrhaft kritischen Situationen“ könnte der Kommission zufolge ein „Mechanismus zur koordinierten und vorübergehenden Wiedereinführung von Grenzkontrollen vonnöten sein“.

EU-Kommissionschef José Manuel Barroso hatte bereits am Sonntag in einem Brief verhalten positiv auf ein Schreiben von Frankreichs Staatschef Nicolas Sarkozy und Italiens Ministerpräsident Silvio Berlusconi reagiert, die nach ihrem Streit über den Umgang mit den Bootsflüchtlingen aus Tunesien eine Revision der Schengen-Regeln gefordert hatten.

Unterstützung signalisierte am Montag auch die Bundesregierung. Man stehe bereit, in der Schengen-Gesetzgebung „gegebenenfalls einzelne Aspekte anzupassen“. Wie Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) habe sich auch schon sein Vorgänger Thomas de Maizière (CDU) – allerdings im Zusammenhang mit einem Schengenbeitritt Bulgariens und Rumäniens offen für stärkere Kontrollen gezeigt, „wenn ein Mitgliedstaat seine Verpflichtungen nicht einhalten kann oder will“, wie ein deutscher EU-Diplomat in Brüssel sagte. Er stellte jedoch klar, dass es keine Rückkehr zu den alten Grenzkontrollen geben werde, was ohnehin eine EU-Vertragsänderung nötig machte: „Die Schengen-Errungenschaften stehen nicht zur Verhandlung. Ein Rütteln an diesem Grundpfeiler gibt es nicht.“

Zur Disposition steht damit der sogenannte Schengen- Grenzkodex, eine Art Ausführungsbestimmung mit Gesetzeskraft. Dabei wiederum geht es vor allem um Artikel 23, der Grenzkontrollen „im Falle einer schwerwiegenden Bedrohung der öffentlichen Ordnung oder inneren Sicherheit“ zulässt. In der Vergangenheit wurde davon bei sportlichen Großereignissen wie der Fußball-WM 2006 oder dem Nato-Gipfel 2009 in Straßburg, Baden-Baden und Kehl Gebrauch gemacht.

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