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Alle unter Verdacht? Mit der Fluggastdatenspeicherung würden umfangreiche Daten aller Fluggäste in zentralen Datenbanken gespeichert, mit Strafregistern abgeglichen und nach bestimmten Profilen durchsucht.

© Jan Woitas/dpa

Fluggastdatenspeicherung: Das EU-Parlament bemüht sich um eine gemeinsame Haltung

Noch in diesem Jahr soll die umstrittene Fluggastdatenspeicherung für alle EU-Ländern beschlossen werden. Am Mittwoch entscheidet das Europäische Parlament über eine gemeinsame Position. Dem Verhandlungsführer droht ein schwaches Mandat.

Von Anna Sauerbrey

Kaum ist die Vorratsdatenspeicherung in Deutschland auf der parlamentarischen Zielgeraden, stellt das Europäische Parlament entscheidende Weichen für das nächste umstrittene Datenspeicherprojekt, die europaweite Fluggastdatenspeicherung. Am kommenden Mittwoch soll der Justiz- und Innenausschuss über eine gemeinsame Position der Fraktionen des Europäischen Parlaments abstimmen und dem britischen Konservativen Timothy Kirkhope damit das Mandat für die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission und den Regierungen erteilen. Gelingt das, könnte die Fluggastdatenspeicherung noch Ende dieses Jahres beschlossen werden. „Ich hoffe auf ein starkes Verhandlungsmandat“, sagte Timothy Kirkhope dem Tagesspiegel, räumte aber ein, dass es noch „Probleme“ gebe, alle Fraktionen auf einen Kompromiss einzuschwören. Am Freitag war der Widerstand gegen Kirkhopes Vorschlag unter linken, liberalen und grünen Abgeordneten des Europaparlaments noch groß. Ein informelles Verhandlungstreffen reihte sich an das nächste. Dass Kirkhope außer den Konservativen viele Abgeordnete hinter sich würde versammeln können, schien Ende der Woche unwahrscheinlich.

Aus der Bürgerrechtsperspektive ist die Fluggastdatenspeicherung eine Zumutung

Aus der Bürgerrechtsperspektive ist die Fluggastdatenspeicherung eine Zumutung. Die meisten europäischen Regierungen allerdings und ihre Sicherheitsbehörden wollen sie unbedingt, ebenso die Europäische Kommission. Auch die Amerikaner drängen die EU, Fakten zu schaffen. Mit den islamistischen Anschlägen von Paris zu Beginn dieses Jahres hat das umstrittene Gesetzgebungsprojekt neuen Schwung bekommen. 

Der Entwurf der Europäischen Kommission von 2011 sieht vor, die Fluggesellschaften zu verpflichten, Daten ihrer Fluggäste an eine zentrale Stelle in jedem Mitgliedstaat weiterzureichen. Der Kommissionsentwurf listet 19 Datenkategorien, neben dem Namen der Passagiere auch Kreditkarteninformationen, Informationen aus Bonusmeilenprogrammen, über Essens- und Sitzplatzwünsche, Gepäck und Mitreisende. Die Daten sollen in Echtzeit mit Strafregistern, aber auch mit den Mitteln der Rasterfahndung durchsucht werden - also anhand vordefinierter „Gefährderprofile“. Verdächtige Reisende sollen so womöglich schon beim Abflug oder beim Umsteigen abgefangen oder besonders streng untersucht werden. Das kann auch Personen treffen, die keine Vorstrafen haben. Alle 28 Mitgliedstaaten sollen „Treffer-Datensätze“ untereinander austauschen.

 Mehrere linke Fraktionen wollen einen "zielgerichteten Ansatz" und den Richtervorbehalt

Kirkhopes Vorschlag schränkt den Entwurf der Kommission in mehreren Punkten ein. So wird der Katalog der Straftaten beschränkt, die den Zugriff der Sicherheitsbehörden auf die Fluggastdaten legitimieren. Nur „schwere transnationale Straftaten“ sollen das Nutzen der Daten erlauben. Kirkhope sieht außerdem kürzere Speicherfristen vor. Der ursprüngliche Kommissionsentwurf sah eine Speicherfrist von 30 Tagen vor, Parlamentsberichterstatter Kirkhope schlägt sieben Tage vor. Nach dieser Frist sollen die Daten fünf beziehungsweise vier Jahre in „anonymisierter“ Form aufbewahrt werden (allerdings soll es technische möglich bleiben, die Namen wieder herzustellen).

An die anlasslosen Erhebung und profilgesteuerte Durchsuchung der Daten aber rührt Kirkhope  nicht. Grüne und Liberalen geht sein Papier deshalb nicht weit genug. Sie haben vorgeschlagen, nicht alle Flugrouten automatisch zu erfassen, sondern nur solche, auf denen besonders häufig Schlepper, Terroristen oder Drogenschmuggler unterwegs sind. Sie wollen die Datenerfassung unter Richtervorbehalt stellen. Richter sollen auf Vorschlag der Sicherheitsbehörden konkrete Routen zur Erfassung freigeben. Auch die S&D-Fraktion, zu der die deutschen Sozialdemokraten gehören, hat sich bislang für diesen Vorschlag ausgesprochen.

Diesen sogenannten „targeted approach – zielgerichteten Ansatz“ lehnt Kirkhope allerdings ab. „Dieser Ansatz würde unweigerlich zu Diskriminierung führen“, argumentiert der Berichterstatter. In seinem Heimatland Großbritannien wären dann vor allem Flüge in den asiatischen Raum betroffen. Dies sei unter Gleichheitsgesichtspunkten nicht haltbar. Außerdem würden Straftäter dann einfach auf andere Routen ausweichen.

Verhandlungsführer Timothy Kirkhope droht ein schwaches Mandat

Die Grünen können diese Argumentation nicht nachvollziehen. Eine Deadline, um sich zu dem Kompromisspaket von Kirkhope zu äußern, haben sie ebenso wie mehrere andere Gruppen verstreichen lassen. Am Montagabend gibt es eine neue Frist. Bis dahin muss sich auch die S&D-Fraktion positionieren. Sollten auch sie Kirkhopes Bericht ablehnen, wird der Bericht zwar voraussichtlich dennoch beschlossen werden, allerdings nur mit der knappen Mehrheit der Konservativen. Das würde Kirkhopes Position in den Trilog-Verhandlungen mit Kommission und Rat erheblich schwächen.

Der Trilog über die Fluggastdatenspeicherung soll im September beginnen. Der Entwurf hat die Form einer Verordnung, die Fluggastdatenspeicherung würde also unmittelbar in allen Mitgliedstaaten der EU gültig werden, ohne, dass sie von den nationalen Parlamenten erst in nationales Recht umgesetzt werden müsste. Bislang gibt es sie nur in drei Mitgliedstaaten – auch in Deutschland wäre sie ein Novum.

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