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Ein US-Helikopter - die Navy hilft bei der Suche nach dem verschwundenen Flugzeug.

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Update

Flugzeugabsturz über Golf von Thailand: "Beispielloses Rätsel“

Das Verschwinden der malaysischen Boeing 777 bleibt nach wie vor rätselhaft: War es ein Unglück, ein Terroranschlag oder eine Entführung? Und wer sind die zwei Passagiere, die mit gestohlenen europäischen Pässen an Bord gingen?

Noch immer gibt es keine Spur von der Großraum-Boeing des Typs 777-200, die von Kuala Lumpur nach Peking unterwegs war. Das Rätsel um die verschwundene Passagiermaschine der Malaysia Airlines (MAS) mit 239 Menschen an Bord wird immer mysteriöser. Möglicherweise brachte eine Terroranschlag die Maschine zum Absturz. Aber auch drei Tage nach dem Verschwinden des Flugzeuges gibt es keine klaren Erkenntnisse darüber, was mit der Maschine passiert ist - und wird es möglicherweise auch lange nicht geben. Die Behörden sprechen von einem "beispiellosen Rätsel".

Flug MH307 war um 0.41 Uhr Ortszeit in Kuala Lumpur gestartet und sollte um 6.30 Uhr in Peking landen. Nach Angaben der Flugbehörden scheint die Maschine zwei Stunden nach dem Start in vietnamesischem Luftraum in den Golf von Thailand gestürzt zu sein, doch die Suche bei zwei seither entdeckten Ölteppichen blieb erfolglos.

Diese Luftaufnahme sollte eine Tür der abgestürzten Maschine zeigen - tut sie aber nicht. Bisher sind keine Trümmerteile gefunden worden.
Diese Luftaufnahme sollte eine Tür der abgestürzten Maschine zeigen - tut sie aber nicht. Bisher sind keine Trümmerteile gefunden worden.

© dpa

Radardaten zufolge soll die Maschine noch auf Reiseflughöhe ein Wendemanöver eingeleitet haben und von der Flugbahn abgekommen sein, ohne jedoch ein SOS-Signal ausgesandt zu haben. Das könnte auf dramatische Vorgänge an Bord schließen lassen.

Wie ist die Suche organisiert?

Parallelen zum Absturz von Air France AF447 auf dem Flug von Rio nach Paris vor fünf Jahren werden wach. Erste Wrackteile waren erst nach zwei Tagen entdeckt worden, doch damals herrschte über dem Atlantik stürmisches Wetter. Der Malaysia-Airlines-Flug MH307 fand bei gutem Wetter statt. Aber auch wenn das Meer derzeit ruhig ist, eine das Gebiet kreuzende Flotte von 40 Suchschiffen sowie 22 Spähflugzeuge sowie Hubschrauber im Einsatz sind, wurden noch keine Wracktrümmer geortet. An der Suchmission beteiligen sich Malaysia, Thailand, Vietnam, Singapur, China und die USA. Hilfe aus Australien ist auf dem Weg, das Suchgebiet wird laufend ausgeweitet. Dass die Suche so lang dauert, dürfte die Luftfahrtindustrie unter Druck setzen, sicherere Ortungssysteme zu entwickeln. China erhöhte den Druck auf Malaysia, die Suche und die Ermittlungen zu intensivieren. Etwa zwei Drittel der Passagiere waren Chinesen. Vor allem im Interesse ihrer Angehörigen hoffe die Volksrepublik, dass Malaysia die Angelegenheit beschleunige, erklärte das Außenministerium in Peking.

Was ist über die Passagiere bekannt?

An Bord befanden sich zwölf malaysische Besatzungsmitglieder sowie 227 Passagiere aus 15 verschiedenen Ländern. Mit 154 stammte die Mehrzahl aus der Volksrepublik China und aus Taiwan. Deutsche befanden sich nicht unter den Fluggästen. Unter den chinesischen Passagieren war eine Delegation von Malern und Kalligrafen, eine Gruppe von Buddhisten, eine Familie vom Enkel bis zu den Großeltern sowie fünf Kleinkinder. Ihre in Peking und Kuala Lumpur auf Neuigkeiten wartenden Angehörigen werden von besonders geschulten Hilfskräften betreut, für Angehörige im Ausland übernimmt MAS sämtliche Anreise- und Aufenthaltskosten.

Gibt es Fundstücke von dem Flugzeug?

Bisher entdeckte Fundstücke gehörten jedoch nicht zu dem Flugzeug. Einige Experten schlossen daraus, dass das Flugzeug in großer Höhe zerrissen worden sein könnte. "Dass wir bislang keine Trümmerteile finden konnten, deutet darauf hin, dass die Maschine wahrscheinlich in 35.000 Fuß (etwa 10.500 Meter) Höhe auseinandergebrochen ist", sagte ein ranghoher Beamter, der an den Untersuchungen in Malaysia beteiligt ist. Wäre das Flugzeug intakt auf das Wasser aufgeschlagen, hätte es größere Trümmerteile auf engem Raum geben müssen.

Könnte es sich um einen terroristischen Anschlag gehandelt haben?

Diese Möglichkeit wird breit diskutiert. So sollen sich mehrere Personen mit gefälschten Pässen an Bord befunden haben. Laut Malaysias Transportminister Hishammuddin Hussein waren dies bis zu vier Passagiere, die nationale Luftverkehrsbehörde spricht von lediglich zwei Verdächtigen. Das FBI hegt Terrorverdacht und schickte Agenten nach Kuala Lumpur. Aber auch eine Flugzeugentführung wird nicht ausgeschlossen. Mehrere Antiterrororganisationen wurden eingeschaltet. Dagegen spricht allerdings, dass Terroristen in der Regel eine irgendwie geartete Botschaft, zumindest eine Bekennerschaft mitteilen – beides fehlt bislang in diesem Fall. Gleichwohl schießen die Gerüchte und Verschwörungstheorien ins Kraut. Die Familie von einem der vermissten chinesischen Passagiere konnte angeblich dessen Handynummer anrufen. Dies gelang auch einer TV-Station in Peking, bevor nach deren Angaben die Verbindung unterbrochen worden sei.

US-Aufklärungssatelliten haben nach bisherigen Informationen zum Zeitpunkt des Verschwindens der Maschine keine Hinweise auf eine Explosion in der Luft registriert, wie aus US-Regierungskreisen verlautete.

Inzwischen wertet das FBI Bilder von Überwachungskameras aus, die zwei Passagiere zeigen, die mit je einem in Thailand gestohlenen österreichischen und italienischen Pass eingecheckt hatten. Als die italienische Polizei am Sonntag an die Tür der Familie klopfte, die bei dem Unglück einen Sohn verloren haben soll, sagte der Vater, er habe soeben mit seinem Sohn gesprochen, er sei in Thailand auf Urlaub. Die Identität von zwei weiteren angeblichen Europäern scheint ebenfalls fraglich. Alle vier hatten den Nachtflug bei China Southern Airlines gekauft, dem Codesharing-Partner von MAS. Nach anderen Quellen sollen die Tickets online in Thai-Baht erworben worden sein. Der "Österreicher" und der "Italiener" waren für einen Weiterflug von Peking nach Europa gebucht, was auf Menschenschmuggler schließen lässt.

Waren die Sicherheitsmaßnahmen in Kuala Lumpur unzureichend?

Für den modernen Flughafen der malaysischen Hauptstadt sind bislang keine massiven Sicherheitslücken dokumentiert. Laut dem Terrorismusexperten Rohan Gunaratna aus Singapur deuten die gestohlenen Pässe jedoch auf "schwere Mängel" bei den Ausweiskontrollen hin. Tatsächlich teilte Interpol am Sonntag mit, dass die beiden 2012 und 2013 in Thailand gestohlenen Pässe in der Datenbank der internationalen Polizeibehörde registriert waren – offenbar aber nahmen die Verantwortlichen in Kuala Lumpur keinen Datenabgleich mit Interpol vor.

Worauf stützen sich die Ermittlungen zur Unglücksursache?

Die Behörden konzentrieren sich auf mögliche Datenhinweise, dass die Maschine nach dem Wendemanöver einen fatalen Sturzflug einleitete, was erklären könnte, weshalb das Flugzeug nach zwei Stunden die vietnamesische Küste noch immer nicht erreicht hatte. Die Flugdauer von Kuala Lumpur nach Ho Chi Minh City, das weiter entfernt liegt, beträgt eine Stunde und 45 Minuten. Nach zwei Stunden müsste die Maschine längst Zentralvietnam erreicht haben. Doch weder hatte die Crew SOS-Signale ausgesendet noch über die Kommunikationssysteme auf Probleme hingewiesen. Die verunglückte Maschine war jedoch mit dem "Aircraft Communications Addressing and Reporting System" (ACARS) ausgerüstet, einem automatischen Datenfunksystem, das schon beim Absturz der Air-France-Maschine 2009 wertvolle Hinweise erbrachte.

Könnte es ein technisches Problem gegeben haben?

Das zweistrahlige Großraumflugzeug Boeing 777 gilt als eines der sichersten Flugzeuge der Welt. Und die Malaysia Airlines gehören zu den renommiertesten Fluggesellschaften weltweit und zählen seit 2005 zu der kleinen Gruppe von Luftfahrtunternehmen, die für ihren exzellenten Service mit fünf Sternen ausgezeichnet wurden. Es ist kaum eine technische Störung denkbar, die so gravierend ist, dass ein Funkkontakt mit dem Boden nicht mehr möglich gewesen wäre – sogar wenn die Störung das Funksystem selbst betroffen hätte, denn auch das ist doppelt und dreifach abgesichert. Zwar könnten plötzliche Schäden am Flugzeug zu Explosionen oder dem sofortigen Verlust des Kabinendrucks führen, doch werden solche Vorfälle bei den modernen Maschinen nahezu ausgeschlossen. Und einen Riss im Rumpf einer Maschine, der zum völligen Ausfall führen könnte, hat es seit Jahrzehnten nicht mehr gegeben. (mit rtr/AFP)

Daniel Kestenholz, Rainer W.During

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