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Politik: Föderale Flügel

Alle wollen die Staatsreform – eine Grundgesetzänderung könnte das Verhältnis von Bund und Ländern entzerren

Zäh war der Kampf, locker soll es weitergehen: Kaum ist das Vermittlungsverfahren um Steuern und Arbeitsmarktreformen beendet, wollen die Parteien und ihre Spitzen sich an die Reform dieses Verfahrens machen. Denn wirklich zufrieden ist keiner gewesen mit dem mühsamen Kompromiss . Zumal die Milliardenlücke beim Rechnen, wer immer die auch übersehen hat, deutlich machte, dass im Verfahren der Überblick verloren ging. Auch bei der Handwerksordnung: Dort wurde erst nach dem Ende der Gespräche bemerkt, dass ein Gesetz, das zuvor im Bundesrat nicht zustimmungspflichtig war, durch kleine Änderungen – von den beteiligten Politikern übersehen – doch zum Zustimmungsgesetz wurde. Wäre das nicht aufgefallen, das Gesetz wäre vermutlich in Karlsruhe durchgefallen, hätte dort jemand geklagt.

Nun dringen viele auf eine schnelle Föderalismusreform, um die sich eine im November eingesetzte Kommission kümmern soll. Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber (CSU) fordert, man müsse jetzt sofort „loslegen“. Sein Düsseldorfer Kollege Peer Steinbrück (SPD) meint, die Erfahrungen im Vermittlungsverfahren sollten die Politik „beflügeln“, zu einer „Entzerrung“ des Verhältnisses von Bund und Ländern, Bundestag und Bundesrat zu kommen.

Nicht alle freilich wecken die Erwartung, dass nun alles anders werde in der bundesstaatlichen Ordnung. Thüringens Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) etwa warnt vor der Illusion, bald würden sich solche Vermittlungsverfahren erübrigen. Bei wichtigen Gesetzen würden die Länder weiter die Mitsprache suchen. Zumal, so lange es ein Mischsystem bei den Steuern gebe. Es gehe bei der Reform nicht um eine Trennung der Ebenen, sondern darum, wie sie wieder in ein Gleichgewicht kommen. Wie alle Ministerpräsidenten fordert Althaus, den Ländern wieder mehr Zuständigkeiten zu geben. Dafür könne der Bundesrat dann auf Zustimmungsrechte verzichten.

Ein Weg dahin deutet sich an. In der ersten Sitzung der „Bundesstaatskommission“ waren sich die Sachverständigen – mehrere Juristen und Politologen, darunter die früheren Bundesminister Edzard Schmidt-Jortzig und Rupert Scholz – weitgehend darin einig, dass nicht zuletzt der Artikel 84 des Grundgesetzes zu der hohen Zahl an zustimmungspflichtigen Gesetzen geführt habe (siehe Kasten). Nach der Verfassung führen die Länder mit ihren Verwaltungen die Bundesgesetze aus, selbst dann, wenn sie in der Sache gar nicht zuständig sind. In der bisherigen Praxis waren dennoch die gesamten Gesetze zustimmungspflichtig. Der Tenor der Professoren: Die Länder sollten nur noch beim Verwaltungsteil der Gesetze zustimmen müssen. Dafür könnten sie mehr Spielraum bekommen bei der Ausführung von Gesetzen.

Bundesjustizministerin Brigitte Zypries (SPD) wertete dies als Bestätigung ihrer Forderungen. Und noch einen Erfolg verbuchte sie für den Bund: Mehrere Experten hätten die Forderung der Länder, nach eigenem Gutdünken von Bundesgesetzen abweichen zu dürfen, skeptisch beurteilt. Bei dieser Kernforderung werden sich die Ministerpräsidenten aber stur stellen.

Am 20.Januar, so die Planung, sollen bei einer Klausurtagung der Kommission in Potsdam erste Grundzüge der Bundesstaatsreform festgezurrt werden.

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