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Föderalismusreform: Nagelprobe für große Koalition

Bundeskanzlerin Merkel und weitere Vertreter der schwarz-roten Koalition haben im Bundestag nachdrücklich für die Föderalismusreform geworben. Die Opposition übte scharfe Kritik und sprach von einem "Artikelgeschacher".

Berlin - Bund und Länder hätten es sich in den mehr als drei Jahre langen Beratungen nicht leicht gemacht, sagte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). "Wir sind aber der Überzeugung: Die Weichen werden jetzt richtig gestellt."

SPD-Fraktionschef Peter Struck wie auch CDU/CSU-Fraktionsvize Wolfgang Bosbach (CDU) sagten übereinstimmend, Bedenken gegen einzelne Punkte müssten im Interesse des gesamten Reformwerkes zurückgestellt werden.

Trotz anhaltender Kritik aus der SPD-Fraktion an Details wird zum Abschluss der mehr als dreistündigen Debatte mit der Zustimmung des Parlaments zu den mehr als 20 Verfassungsänderungen gerechnet. Die große Koalition verfügt zusammen über 448 Stimmen. 410 sind für das Erreichen der Zwei-Drittel-Mehrheit erforderlich. Die Abstimmung gilt als erster großer Test für den Zusammenhalt von Union und SPD in der großen Koalition. Die Oppositionsparteien wollen die Föderalismusreform ablehnen.

Struck räumt Unbehagen ein

Struck zeigte Verständnis für die Kritik aus der SPD und räumte Unbehagen bei der Vorstellung ein, durch die Kompetenzverlagerung des Strafvollzuges an die Länder könne es zu einem föderalen Wettbewerb um den "schärfsten Knast" in Deutschland kommen. "Die reine Lehre" sei bei den Bund-Länder-Verhandlungen über die Föderalismusreform nicht durchzusetzen gewesen, sagte Struck. Der Bundestag werde aber weiter ein Auge darauf werfen, dass befürchtete Fehlentwicklungen beim Strafvollzug wie auch beim Heimrecht nicht einträfen.

Bosbach hob das Ziel des Bundes bei der Reform hervor, die Zahl der zustimmungspflichtigen Gesetze im Bundesrat von 60 auf 30 Prozent zu reduzieren. Mit Blick auf Forderungen nach einem Neuzuschnitt der 16 Bundesländer warnte er vor der Annahme, der Bund könne dies "gegen die Herzen der Bürger verordnen". Diese Entscheidung müsse von den Ländern selbst getragen werden. Struck hatte zuvor die Auffassung vertreten, Deutschland könne sich auf Dauer einer Debatte über Größe und Zahl der Länder nicht entziehen.

Westerwelle: "Keine richtige Reform"

Die Oppositionsparteien übten scharfe Kritik sowohl an Details der Verfassungsänderungen wie auch am Gesetzgebungsverfahren. Auch die FDP sei dafür, "Reformstau aufzulösen", sagte der FDP-Parlamentarierer Ernst Burgbacher. Die Bürger sollten nachvollziehen können, für welche Entscheidung der Bund und für welche die Länder zuständig seien. FDP-Partei- und Fraktionschef Guido Westerwelle kritisierte, dass der zweite Teil der Reform - die Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen - noch ausstehe. "Eine Reform, die diesen notwendigen zweiten Schritt ausklammert, ist keine richtige Reform."

Grünen-Fraktionschefin Renate Künast sprach von einem "Artikelgeschacher" zwischen Union und SPD sowie zwischen Bund und Ländern. Wie bereits bei der Verfassungsänderung von 1994 würden "sachfremde Kompromisse" geschlossen, die erneut Klagen vor dem Verfassungsgericht provozieren könnten. "Diese Reform bringt uns nicht weiter", sagte Künast. Die größten Probleme sähen die Grünen in der Kompetenzverlagerung bei der Bildungspolitik zu Gunsten der Länder, aber auch beim Umweltrecht.

Für die Linkspartei warnte Fraktionsvize Bodo Ramelow vor einer Verschärfung des Nord-Süd-Gefälles in Deutschland. Reiche Bundesländer wie Bayern und Baden-Württemberg würden gestärkt zum Nachteil der anderen. "Jeder Landesfürst kann sich austoben", sagte Ramelow. Es gebe keine sachbezogenen Lösungen, sondern "nur in den Parteizentralen ausgehandelte Kompromisse". (tso/dpa)

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